Für Hausärzte besteht die Möglichkeit, Hausbesuche an qualifiziertes Praxispersonal zu delegieren. In der Praxis von Dr. Karl-Heinz Dreier in Weißwasser gehört die Delegation zum Praxisalltag. Seine Mitarbeiterin Susann Baudach übernimmt regelmäßig Hausbesuche bei Patienten und entlastet so Herrn Dr. Dreier und dessen Arzt in Weiterbildung, Sebastian Klenner. Wir haben die drei zum Gespräch getroffen.

Frau Baudach, seit wann sind Sie in der Praxis tätig und welche Zusatzqualifikationen besitzen Sie?

Susann Baudach (SB): Ich habe 1991 meine Ausbildung in dieser Praxis begonnen und bin seit 2016 ausgebildete NäPa (Nichtärztliche Praxisassistentin) und VERAH (Versorgungsassistentin in der Hausarztpraxis).

Dr. Karl-Heinz Dreier (KHD): Nicht zu vergessen, ist sie unsere leitende Schwester und maßgeblich für unsere stabilen Verhältnisse im Mitarbeiterkollektiv verantwortlich. Und auch die Zusatzqualifikationen füllt sie unter anderem aus mit regelmäßigen Hausbesuchen.

Welche Aufgaben übernehmen Sie bei diesen Hausbesuchen?

SB: Ich messe den Blutdruck und Blutzucker, nehme Blut ab, führe Grippeschutzimpfungen durch, messe Fieber, schaue mir Wunden an und mache Wundverbände und frage nach Sorgen und Problemen. Außerdem nehme ich Rezeptbestellungen und Überweisungen auf. Wir betreuen 14 Pflegeeinrichtungen mit jeweils zwei bis maximal 25 Patienten.

KHD: Zu den Pflegedienstleiterinnen hat sie einen besonderen Draht. Dieses jahrelang gewachsene Vertrauen ist sehr wichtig.

SB: Das stimmt. Wir haben wirklich eine richtig gute Verbindung.

Herr Dr. Dreier, warum delegieren Sie diese Leistungen und wie erleichtert Ihnen die Delegation den Praxisalltag?

KHD: Ohne Delegation wäre es nicht zu schaffen. Der Tag würde noch länger werden und wir könnten keine Patienten mehr aufnehmen. Die Delegation ist eine große Entlastung. So können wir uns um andere Dinge kümmern und fahren nur selbst zu den Patienten, wenn es Probleme gibt, die einen Arzt erfordern.

Warum haben Sie sich damals für die Weiterbildung entschieden?

KHD: Ich war bei einem Seminar des Hausärzteverbands. Dort haben sich auf die Frage, wer eine VERAH hat, 90 Prozent gemeldet und ich dachte: „Du machst etwas falsch“. Die waren alle aus den alten Bundesländern, bei uns im Osten ist das erst später aufgekommen. Aber das war der Anstoß zu denken, da müssen wir dabei sein. Wir wollten mit der Zeit gehen.

SB: Als er mir dann davon erzählt hat, habe ich mich gefordert gesehen. Es hat mich gereizt, meine Kompetenzen zu erweitern und ein bisschen mehr machen zu dürfen, als es in der Praxis möglich war.

Worin sehen Sie die Vorzüge dieser Qualifikation?

SB: Mein Tagesablauf ist ein bisschen anders als zuvor. Entweder ich komme erst einmal in die Praxis und fahre zwischendurch Haus-besuche oder ich fange gleich früh mit Hausbesuchen an. Die Tage sind dadurch sehr abwechslungsreich. Ich habe ein sehr breites Spektrum an Kompetenzen und Aufgaben.

KHD: Das wertet sie natürlich auf und sie muss nicht immer nachfragen, sondern kann Aufgaben selbst übernehmen.

SB: Außerdem schätze ich den sehr engen Kontakt, der über die Jahre entstanden ist, vor allem zu den Patienten in Pflegeheimen und im Betreuten Wohnen.

Wie ist das Feedback von den Patienten?

SB: Die Patienten sind sehr dankbar. Vor allem in den Pflegeeinrichtungen hören wir auch, dass der Hausarzt sehr selten kommt. Wir bekommen da eine unglaublich große Dankbarkeit von den Patienten zurück.
Worin sehen Sie mögliche Herausforderungen bei der Delegation?

KHD: Man muss Vertrauen zu seiner Mitarbeiterin haben, dass sie der Aufgabe gewachsen ist, selbstständig arbeitet, ehrlich ist. Wichtig ist auch, dass man Fehler erlauben kann. Man kann die Hausbesuche keinem Fremden übertragen, derjenige muss sich schon eine Weile bewährt haben. Und dann muss man die Ausbildung erst einmal machen. Da kommen hohe Investitionskosten auf einen zu [Anm. d. Red.: Bei Vorliegen der Voraussetzungen kann eine NäPa-Förderung gewährt werden. Informationen siehe Kasten]. Dazu kommen noch regelmäßige Weiterbildungen.

SB: Alle zwei Jahre ist zum Beispiel ein Refresherkurs vom Erste-Hilfe-Seminar, der über zwei bis drei Tage in Dresden stattfindet.

„Die Delegation ist eine große Entlastung.“

FÖRDERUNG VON DELEGATIONSLEISTUNGEN

Förderberechtigte Ärzte

Sächsische Hausärzte

Voraussetzungen

Anstellung eines Nichtärztlichen Praxisassistenten (NäPa), Versorgungsassistenten in der Hausarztpraxis (VERAH) oder eines Physician Assistant (PA)

Höhe und Umfang
  • Zuschlag von 60 Euro für jeden Versicherten ab Beginn des 76. Lebensjahres, der im Quartal ausschließlich durch eine NäPa, einen PA und/oder eine VERAH betreut wird und wenn diese mindestens zwei Besuche durchgeführt haben

  • Zuschlag von 30 Euro, sofern zusätzlich zu den Delegationsleistungen noch Arzt-Patienten-Kontakte ausschließlich im Rahmen von Videosprechstunden stattfinden

  • Besuche und Mitbesuche durch PA respektive VERAH sowie bisher noch nicht genehmigte NäPa analog der genehmigten NäPa

Mehr erfahren

NÄPA-FÖRDERUNG DER KV SACHSEN

Höhe und Umfang

Begleitend 300 Euro monatlich für bis zu 2 Jahre oder alternativ 6.000 Euro als Einmalzahlung im Anschluss

Voraussetzungen

Gültiger Beschluss des Landesausschusses zur Feststellung einer (drohenden) Unterversorgung bzw. eines zusätzlichen lokalen Versorgungsbedarfs für die jeweilige Arztgruppe in der entsprechenden Region

Mehr erfahren

Wie könnte man trotz dieser Herausforderungen mehr Hausärzte dazu animieren, Leistungen an ihr qualifiziertes Personal zu delegieren?

SB: Ich glaube, da herrscht noch viel Unwissenheit. Die Arztpraxen könnten stärker über die Qualifizierungen zur VERAH und NäPa informiert werden, zum Beispiel zum Inhalt der Ausbildung oder zum Tätigkeitsumfang. Wenn ich bei Weiterbildungen mit anderen Schwestern ins Gespräch komme, stelle ich immer wieder fest, dass viele gar nicht wissen, was alles möglich ist.

Sebastian Klenner (SK): Ich habe auch eine Arzthelferin im Bekanntenkreis, die nur gefragt hat: „VERAH was?“ Unter den Kollegen selbst ist nicht weit verbreitet, dass es das gibt.

KHD: Wenn sich der Arzt nicht dafür interessiert, wird es unter den MFAs gar nicht bekannt. Die Leistung selbst könnte auch attraktiver gemacht werden, indem zum Beispiel neben der Grippeschutzimpfung auch andere Impfungen erlaubt werden.

Was können Sie persönlich Ihren Kollegen, die vielleicht mit dem Gedanken der Delegation spielen, mit auf den Weg geben?

KHD: Wenn man das richtig durchdenkt und anpackt, lohnt sich das – sowohl wirtschaftlich als auch vom Freizeitwert her.

SB: Wenn wir bei Weiterbildungen darüber gesprochen haben, habe ich schon zu einigen Schwestern gesagt: „Fragt euren Chef“. Natürlich muss er damit einverstanden sein, aber die Mitarbeiterin kann selbst die Initiative ergreifen. Es lohnt sich!

 

Kommunikation/rab