In Vorbereitung der Bundestagswahl am 23. Februar dieses Jahres stellen wir Ihnen zusammengefasst die Forderungen der KBV sowie die Schwerpunkte in den Wahlprogrammen der Parteien zum Thema (ambulante) Gesundheitsversorgung vor.

Forderungen der KBV

Unter dem Titel „Unsere Gesundheit erlaubt keinen Stillstand.“ hat die Vertreterversammlung der KBV bereits am 6. Dezember 2024 ihr Forderungspapier verabschiedet. Darin stellen die Vertreter zu grundlegenden Themen der ambulanten Versorgung Forderungen auf, die wir Ihnen nachfolgend zusammengefasst darstellen:

1. Selbstverwaltung als tragende Säule des Gesundheitswesens

Mit einem „gemeinsamen Pakt für Selbstverwaltung“ fordert die KBV wieder verstärkt die Beachtung des Subsidiaritätsprinzips im Gesundheitswesen, spricht sich für eine nachhaltige Finanzierung der Gesetzlichen Krankenkassen aus und fordert eine Vermeidung von Eingriffen des Gesetzgebers und der Politik.

2. Das Gesundheitssystem braucht eine verlässliche Gesundheitspolitik

Ebenfalls nachhaltig sollen die ambulanten Praxen in der Umsetzung des Grundprinzips „ambulant vor stationär“ unterstützt werden. Die Nachwuchsgewinnung muss für die künftigen Herausforderungen sichergestellt werden, indem die ambulante Weiterbildung in den Praxen gefördert und die Reform der Approbationsordnung umgesetzt wird.

3. Sicherung einer angemessenen Finanzierung als Investition in die Zukunft des Gesundheitswesens

Die neue Bundesregierung soll in den ersten 100 Tagen die GKV-Finanzen analysieren und mit allen Selbstverwaltungspartnern die Prioritäten für deren Verwendung festlegen. Versicherungsfremde Leistungen sollen vollumfänglich durch Steuern finanziert werden. Der Zugang sowie die Vergütung im ambulanten und stationären Bereich sollen angeglichen werden.

4. Gute Medizin braucht gute Rahmenbedingungen und praxistaugliche Digitalisierung

Wie bereits im Entwurf des GVSG vorgesehen, fordert die KBV weiterhin eine Bagatellgrenze für Wirtschaftlichkeitsprüfungen und darüber hinaus ein Umsteuern zu einem Anreiz-, statt des Sanktionssystems. An mehreren Stellen fordert die KBV, dringend die Bürokratielast für Praxen abzubauen und eine praxistaugliche Digitalisierung unter Einbeziehung der ambulanten Expertise umzusetzen.

5. Mehr Steuerung und Orientierung in unserer Versorgung

Gefordert wird zudem eine an medizinischen Erfordernissen ausgerichtete Patientensteuerung. Für die Terminvermittlung in der Notfallversorgung soll ein einheitliches Ersteinschätzungsverfahren verbindlich eingesetzt sowie für deren Strukturen eine Vorhaltefinanzierung sowie eine vollständige Finanzierung der Leistungen umgesetzt werden.

6. Leistung im Gesundheitswesen muss sich lohnen

Hier geht es um die Umsetzung des Grundsatzes „Wer mehr leistet, muss auch besser bezahlt werden.“ Die Budgetgrenzen sind für alle ambulant tätigen Kollegen innerhalb der ersten 100 Tage abzuschaffen und künftige Kostensteigerungen sowie Inflation sollen berücksichtigt werden.

Wahlprogramme der Parteien

Diesen konkreten Forderungen der KBV stehen die mittlerweile [Stand: Mitte Januar 2025] zumeist schon beschlossenen, häufig aber allgemeiner formulierten Wahlprogramme der größeren Parteien gegenüber. In (fast) allen Programmen finden sich einige Punkte in ähnlicher Form wieder.

Dazu gehören vor allem folgende Themen:

  • allgemein die Stärkung der Resilienz des Gesundheitswesens,

  • Stärkung von Prävention,

  • Entbürokratisierung,

  • Ausbau einer praxistauglichen Digitalisierung,

  • Einsatz von KI im Gesundheitswesen,

  • Verbesserung sowie Ausbau von psychotherapeutischen Angeboten und

  • Voranbringen der Long-Covid-Forschung sowie eine Aufarbeitung des Krisenmanagements in der Corona-Pandemie.


Allgemein stehen beide Parteien darin zu den Grundpfeilern des deutschen Gesundheitssystems mit seiner bewährten Selbstverwaltung, zur Dualität von gesetzlicher und privater Krankenversicherung, zum Grundsatz der Freiberuflichkeit und zur solidarischen Beitragsfinanzierung. Mit dem Ziel, den kalten Strukturwandel in der Krankenhauslandschaft zu verhindern, sollen Fehlsteuerungen in Folge der Krankenhausreform korrigiert werden. Andere Gesundheitsberufe sollen mehr Verantwortung für die Versorgung übernehmen. Die Notfallversorgung soll weiterentwickelt und die Arbeit der Rettungsdienste gestärkt werden.

Im ambulanten Bereich werden die Haus- und Kinderarztpraxen innovativ weiterentwickelt. Sie sollen eine stärkere Steuerungsfunktion der Patienten übernehmen, um zu einer besseren Koordination der Behandlungsabläufe beizutragen und die Wartezeiten auf Arzttermine zu senken.

Zudem wollen beide Parteien die Gesundheit von Frauen in den Blick nehmen und dafür die geschlechtsspezifische Medizin stärker als bisher als eigenständiges Aufgabenfeld vorantreiben.

Die Zweckentfremdung der Sozialversicherungen möchte die AfD beenden, indem versicherungsfremde Leistungen künftig aus dem Bundeshaushalt finanziert werden. Außerdem sollen die Verwaltungskosten durch eine Zusammenführung von Kranken- und Pflegeversicherung, sowie die Vereinfachung der aufgesplitterten Selbstverwaltungsstrukturen bei Kassenärzten, Krankenhaus-, Rehabilitations- und Pflegedienstleistungen massiv gesenkt werden.

Im ambulanten Bereich soll die Rationierung ärztlicher Leistungen durch den Zwang, Behandlungen ohne Vergütungsanspruch zu erbringen, beendet werden. Um einer ungesteuerten Leistungsausweitung durch Bagatellbehandlungen zu begegnen, hält die AfD gestaffelte Bonus- bzw. Rückvergütungssysteme für sinnvoll. Die freiberuflich geführte Inhaberpraxis soll weiterhin das Rückgrat der ambulanten Versorgung bilden. Zur Förderung der Niederlassung von Ärzten im ländlichen Räumen sind finanzielle und organisatorische Niederlassungshilfen zu etablieren.

Pubertätsblocker und nicht medizinisch indizierte Eingriffe zur Änderung des Geschlechts will die AfD verbieten. Bei staatlich verordneten Pflichtimpfungen sieht die AfD das im Grundgesetz verankerte Selbstbestimmungsrecht der Bürger über ihre körperliche Integrität in hohem Maße als eingeschränkt an. Die Telematik-Infrastruktur (TI) lehnt die AfD grundsätzlich ab und befürwortet stattdessen lediglich die Speicherung eines Notfalldatensatzes, einschließlich eines Medikamentenplans und einer Patientenverfügung auf der Krankenversicherungskarte. Umfangreiche Eingriffsrechte der WHO in die Privatsphäre der Bürger werden abgelehnt. Dies soll reformiert werden und falls dies nicht möglich ist, Deutschland aus der WHO austreten.

Im Wahlprogramm wird die SPD beim Thema ambulante Gesundheitsversorgung gleich konkret, indem sie eine Termingarantie „der Krankenkassen und Kassenärztlichen Vereinigungen“ fordert und darüber hinaus auch die Unterschiede bei den Behandlungsmöglichkeiten zwischen privat und gesetzlich Versicherten beseitigen möchte. Bei Nichteinhaltung der Termingarantie erhalten die Versicherten einen Anspruch auf Beitragsreduzierung. Auch die privaten Krankenversicherungen sollen künftig am Risikostrukturausgleich beteiligt werden, wodurch letztlich ein System einer solidarischen Bürgerversicherung ausgebildet werden soll. Gesundheitskioske sollen errichtet und die unterschiedlichen, gesundheitlichen Bedürfnisse von Frauen und Männern stärker berücksichtigt werden.

Zudem sollen die Befugnisse von Pflegefachpersonen erweitert werden. Bei den ärztlichen Berufen soll der Schwerpunkt auf den Haus- und Kinderärzten liegen. Deren Ausbildungs- und Weiterbildungskapazitäten sollen ausgebaut sowie die Budgets für Hausärzte abgeschafft werden.

Mit einer Primärversorgung insbesondere durch Hausärzte sollen Wartezeiten abgebaut und eine optimale Versorgung erreicht werden. Durch Gesundheitsregionen und „gemeinsame“ Versorgungszentren soll die Vor-Ort-Versorgung optimiert werden. Außerdem soll die Verteilung von niedergelassenen Ärzten enger mit der Krankenhausplanung verknüpft sowie die bestehende Trennung der Finanzierungssysteme von ambulanter und stationärer Versorgung überwunden werden. Der Sprechstundenanteil für gesetzlich Versicherte soll erhöht werden. Für die Gesundheitsberufe sollen durch mehr Kompetenzen eine bessere Arbeitsteilung und Zusammenarbeit auf Augenhöhe erreicht werden. Bei der Finanzierung des Gesundheitssystems ist eine Bürgerversicherung das Ziel. Zudem sollen künftig auch Kapitaleinnahmen bei der Betragsbemessung berücksichtigt werden.

In das Thema Gesundheit steigt das BSW mit einer „Infrastruktur-Garantie“ ein, wonach nicht nur die ärztliche Grundversorgung und regional erreichbare Krankenhäuser vom Staat zu gewährleisten sind. Das System der Fallpauschalen und die Konkurrenz der einzelnen Sektoren führt nach Ansicht des BSW dazu, dass Kliniken, ambulante Praxen und Pflegeeinrichtungen nicht zum Wohl der Patienten kooperieren. Zur Analyse gehört auch, dass Prävention, alternative Behandlungsformen und die schlichte menschliche Betreuung zugunsten einer immer teureren „Reparaturmedizin“ unter die Räder kommen. Daher fordert das BSW die Einführung einer Bürgerversicherung, in die alle Bürger einzahlen und grundsätzlich gleiche Leistungen auf dem Niveau der höchsten medizinischen Standards erhalten.

Krankenhausprivatisierungen und das Vordringen von Finanzinvestoren in Arztpraxen und medizinischen Versorgungszentren müssen gestoppt und Lauterbachs Krankenhausreform rückgängig gemacht werden. Hausärzte sollen höher vergütet werden.

Die Freien Demokraten steigen gleich mit finanzpolitischen Forderungen in das Thema Gesundheitsversorgung ein, indem sie zum Beispiel die Beiträge für Selbstständige zur gesetzlichen Krankenversicherung an den tatsächlichen Einnahmen orientieren wollen. In der ambulanten Versorgung setzt die FDP auf ein Primärarztsystem: Haus- und Kinderärzte sollten die erste Anlaufstelle für die Patienten sein. Für eine flächendeckende ambulante Versorgung soll eine ungekürzte Vergütung aller Gesundheitsberufe erfolgen. Die Freien Demokraten bekennen sich zu den freien Berufen im Gesundheitswesen sowie deren Selbstverwaltung genauso wie zum dualen System aus gesetzlicher und privater Krankenversicherung.

Um die ungebremste Leistungsausgabenentwicklung in der GKV in den Griff zu bekommen, sollen in Zukunft die Ausgaben nicht stärker wachsen als die Einnahmen. Zusätzlich sollen alle Leistungsausweitungen der letzten zehn Jahre einem Evidenz-, Effizienz- und Wirtschaftlichkeitscheck unterzogen und die Leistungen, die sich nicht bewährt haben, aus dem GKV-Leistungskatalog gestrichen werden.

In ihrer Analyse stellen Die Linken einleitend fest, dass die Privatisierung und die Ökonomisierung des Gesundheitswesens ungerecht und ineffizient seien. Viele Behandlungen seien unnötig und werden von Krankenhauskonzernen und Ärzten dennoch angeboten, weil es sich lohnt. Die Linken setzen sich für eine Bürgerversicherung ein, in der die Beitragsbemessungsgrenze wegfallen soll. Dabei werden auch auf Einkommen aus Kapitalerträgen und andere Einkommensarten Beiträge erhoben. Im Ergebnis sinkt nach Berechnung der Linken der Beitrag für die Krankenversicherung von derzeit 17,1 auf etwa 13,3 Prozent des Bruttolohns. Der allergrößte Teil der Bevölkerung werde durch dieses Konzept finanziell entlastet, so auch viele Selbstständige und Rentner.

An anderer Stelle heißt es, dass es „eine wohnortnahe, kostenlose Gesundheitsversorgung“ brauche. Dafür soll der Bund sektorenübergreifende Behandlung und regionale Grundversorgung verlässlich und ausreichend finanzieren. Im ambulanten Bereich sollen kommunale Versorgungszentren als Rückgrat der wohnortnahen Gesundheitsversorgung gefördert werden. Außerdem soll die stationäre und ambulante Versorgung gemeinsam im Interesse des Gemeinwohls geplant und gestaltet werden. Die Befugnisse der Heilberufe sollen ausgeweitet werden.

Erwartungsgemäß wird eine Reihe dieser Punkte in künftigen Koalitionsverhandlungen angepasst oder auch aufgegeben. Interessant ist noch der Aspekt, dass sowohl die SPD als auch Bündnis 90/Die Grünen in ihren Programmen eine stärkere Finanzierung von versicherungsfremden Leistungen aus Steuermitteln fordern. Die KV Sachsen unterstützt die Forderungen der KBV und wird sich für deren Umsetzung in den Gremien der Gemeinsamen Selbstverwaltung wie auch gegenüber der Landesregierung in Sachsen einsetzen.

Vorstandsreferent/koc