Das Bundessozialgericht (BSG) hatte vor ca. einem Jahr einen Fall zu entscheiden, der sich mit der Frage der Unwirtschaftlichkeit einer Ersatzverordnung von Impfstoffen befasste.

Sachverhalt

Geklagt hatte eine kinderärztliche Berufsausausübungsgemeinschaft. Diese bezog Impfstoff im Rahmen von Sprechstundenbedarf. Sie hatte festgestellt, dass eine mehrstündige Unterschreitung der vorgesehenen Kühltemperatur in dem zur Aufbewahrung genutzten Kühlschrank eingetreten war. Grund dafür war das Klemmen eines Relais im Regler des Kühlschrankverdichters. Die Klägerin ließ nach Rücksprache mit den Impfstoffherstellern und dem Apotheker, von dem sie die Impfstoffe bezogen hatte, die Impfstoffe vernichten. Der Apotheker bestätigte die Entgegennahme und Vernichtung der Impfstoffe im Wert von ca. 24.000 Euro. Die Klägerin zeigte die Fehlfunktion des Kühlschranks und die Vernichtung der Impfstoffe der Rezeptprüfungsstelle und der Kassenärztlichen Vereinigung an. Später beschaffte die Klägerin erneut Impfstoff, den sie im Rahmen des Sprechstundenbedarfs zulasten der gesetzlichen Krankenkas-sen größtenteils als Ersatz für den vernichteten Impfstoff einsetzte.

Die Prüfungsstelle setzte gegen die Klägerin einen Regress in Höhe der Nettoverordnungskosten des ersatzweise beschafften Impfstoffs (ca. 24.000 Euro) fest. Der Beschwerdeausschuss wies den Widerspruch zurück. Die dagegen eingereichte Klage beim Sozialgericht sowie die Sprungrevision zum BSG blieben erfolglos.

Urteil

Der beklagte Beschwerdeausschuss wies darauf hin, dass das Risiko für einen Untergang von Impfstoff der Arzt trage, der es zudem in der Hand habe, eine Versicherung gegen den Untergang des Impfstoffs abzuschließen, auch wenn er berufsrechtlich dazu nicht verpflichtet sei. Das Sozialgericht Magdeburg erklärte u. a., dass es hier zwar nicht um die Feststellung eines sonstigen Schadens im Sinne des § 48 Bundesmantelvertrag-Ärzte (BMV-Ä) in Verbindung mit der Prüfvereinbarung gehe, da weder eine unzulässige Verordnung noch eine fehlerhaft ausgestellte ärztliche Bescheinigung im Raum stehe. In der Gesamtschau sei die Vernichtung des verwendeten Impfstoffs anstelle der zweckentsprechenden Verwendung jedoch als unwirtschaftliches Verhalten zu werten. Die Klägerin wies in der Sprungrevision u. a. darauf hin, dass ein Fall höherer Gewalt vorliege. Es sei unzumutbar, wenn das Risiko hierfür einseitig auf die Vertragsärzte abgewälzt werde. Das BSG bestätigte die Entscheidung des Sozialgerichts Magdeburg.

Begründung

Die ersatzweise Verordnung des Impfstoffes erweise sich als unwirtschaftlich. Rechtlicher Anknüpfungspunkt für die Feststellung der Unwirtschaftlichkeit sei hier die Unzulässigkeit der Ersatzimpfstoffverordnungen. Der entstehende Kostenaufwand sei unwirtschaft-lich, da ihm kein entsprechender Nutzen gegenüberstehe.

Es liege im Verantwortungsbereich des Arztes, dass in seiner Praxis die für die Lagerung von Impfstoffen geltenden Vorgaben eingehalten würden. Zwar seien technische Fehler nie völlig auszuschließen. Durch Auswahl, Wartung und Überwachung der Praxisausstat-tung könne die Gefahr von Sachschäden jedoch so gering wie möglich gehalten werden. Gerade bei der Lagerung großer Mengen von sehr teuren Impfstoffen könne die Verwendung eines Kühlgeräts ratsam sein, das die Vorgaben der einschlägigen DIN für Kühl- und Gefrier-Lagerungsgeräte für Labor- und Medizinanwendungen erfülle und über eine spezielle Sicherheitseinrichtung verfüge, die ein Abkühlen unter 2 °C mit großer Sicherheit verhindere. Zur Verringerung der Risiken trügen auch regelmäßige Wartungen sowie der Austausch eines nicht mehr dem Standard entsprechenden Geräts bei. Ein verbleibendes Restrisiko könne durch den Abschluss einer entsprechenden Kühlgutversicherung abgesichert werden. Es unterliege der unternehmerischen Entscheidung des Arztes, in welchem Umfang er zur Vermeidung eines durch den Ausfall eines Kühlgeräts verursachten Schadens Vorsorge treffe.

Zusatz

Das BSG weist in seiner Entscheidung auch darauf hin, dass der oben dargestellte Fall nicht vergleichbar sei mit einem Urteil des BSG vom 21. März 2018. Diese Entscheidung betraf damals die Bestellung saisonaler Grippeimpfstoffe, die wegen fehlender Nachfrage nicht genutzt wurden. Hier urteilte das BSG, dass der Vertragsarzt für Kosten, die der Krankenkasse durch in seiner Vertragsarztpraxis un-brauchbar gewordenen (abgelaufenen) Impfstoffe entstehen, nicht einzustehen habe, wenn der Eintritt des Schadens auch bei sachgemäßem Vorgehen nicht vermeidbar war.

Informationen

www.bundessozialgericht.de

Aktenzeichen B 6 KA 14/21 R, vom 29.06.2022