„Nicht auf die Quantität, sondern auf die Qualität des Wirkens kommt es an.“

(Albert Schweitzer)

Liebe Kolleginnen und Kollegen,

für die Menschen in Deutschland und Europa gibt es derzeit eine Reihe ernst zu nehmender Probleme, die zum Teil existenzbedrohende Züge angenommen haben und für die Lösungen derzeit nicht in Sicht sind. Im Zentrum des politischen Handelns steht neben dem Ukraine-Krieg und der sich immer weiter zuspitzenden Energie-Krise, der Klimaproblematik und der Inflation nach wie vor die Corona-Pandemie. Während für die ersteren Themen eine Normalisierung derzeit nicht absehbar ist, halte ich dies bei der Corona-Pandemie für durchaus realistisch, zumal in den ersten Ländern diese bereits für beendet erklärt bzw. Gegenmaßnahmen eingestellt wurden.

Aus unserer Sicht ist zu fragen, was uns daran hindert, zumindest die Vergütung in die Regelversorgung zu überführen? Die Frage des Arztes wäre dann künftig nicht, ob man schon seine 36. Boosterimpfung erhalten habe, sondern, ob man sich schon die Impfung für die Saison 2022 / 23 geholt habe, wobei hier die Unterscheidung zwischen Corona und Influenza mit einem Kombi-Impfstoff vielleicht irgendwann einmal obsolet würde.

Dem bisherigen Verlauf der Corona-Pandemie und auch anderer Atemwegsinfekte folgend, wird vermutlich im Herbst die Bedeutung des Themas Corona wieder zunehmen. Für viele Menschen haben die milden Verläufe der Infektionen mit der Omikron-Variante der Erkrankung allerdings zum großen Teil den Schrecken genommen.

Auch die Bundesregierung spricht derzeit überwiegend optimistisch über die Beherrschbarkeit der nunmehr dritten Herbstwelle. Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach sagte dazu: „Ich glaube, wir waren noch nie so gut vorbereitet für einen Herbst wie dieses Mal. Wir haben das im Griff, das ist meine persönliche Überzeugung – auch wenn es schwerer kommen sollte.“ Dann wollen wir einmal hoffen, dass er hier zumindest Recht behält.

Meines Erachtens nahm Bundesjustizminister Buschmann (FDP) die aktuellen Bedenken der Menschen gut auf, als er vor kurzem sagte: „Vorbereitet sein, Verhältnismäßigkeit wahren, vulnerable Personen schützen: An diesen ‚drei V‘ orientiert sich unser Corona-Schutzkonzept für die Zeit ab Oktober. Wir nehmen die Pandemie weiter ernst. Und vor allem nehmen wir die Grundrechte ernst. Auch im Herbst und Winter gilt: Freiheitseinschränkungen darf es nur geben, wenn sie erforderlich sind.“ Er trifft damit den Nerv der Bevölkerung, die sich nach mehr Normalität in ihrem Alltag sehnt.

Die Impfquoten verharren seit dem Frühjahr dieses Jahres auf niedrigem Niveau, so auch in Sachsen, wobei die Anzahl der in den staatlichen Impfstellen durchgeführten Impfungen besonders niedrig ist (in der 36. Kalenderwoche ca. 500 Impfungen in allen Impfstellen zusammen).

An dieser geringen Impfnachfrage änderten bisher auch die Anfang September 2022 erfolgten Zulassungen für die Omikron-Impfstoffe von BioNTech und Moderna gegen die BA.1-Variante durch die EU-Kommission nichts. Hier hinken die Entwicklung und das Zulassungsverfahren der Mutationsgeschwindigkeit der Virusvarianten hinterher. Denn schon in der 34. Kalenderwoche waren 96 Prozent der Corona-Infektionen auf die BA.5-Variante zurückzuführen. Bleibt abzuwarten, ob sich zukünftig mehr Menschen mit dem BA.4-5-Impfstoff impfen lassen werden.

Für die Planungssicherheit in den Praxen ist es dringend erforderlich, dass sich die Verzögerungen und Kürzungen bei den Impfstoffauslieferungen aus den vergangenen Jahren nicht wiederholen. Doch bei der jüngst in Deutschland angelaufenen Auslieferung des Impfstoffes gegen die BA.1-Variante kam es bereits wieder zu Kürzungen der zugesagten Höchstbestellmenge von 240 Dosen pro Arzt. Die KBV sprach in dem Zusammenhang von einer „chaotischen Kommunikation“, was einen Zustand beschreibt, der uns leider im Zusammenhang mit der Corona-Pandemie immer wieder begegnet ist. Der gegen die BA.4 / BA.5-Varianten entwickelte Impfstoff von BioNTech erhielt in der EU nunmehr ebenfalls eine Zulassung als Boosterimpfstoff für Personen ab 12 Jahren. Er kann seit dem 20. September 2022 im Umfang von 240 Dosen pro Arzt bestellt werden. Wir hoffen, dass sich das Chaos bei der Auslieferung nicht wiederholt.

Für viele Kolleginnen und Kollegen gehören die Corona-Schutzimpfung sowie die Behandlung der am Corona-Virus erkrankten Patienten mittlerweile zum Alltagsgeschäft. Für wichtig halte ich nach wie vor den Schutz von älteren und vorerkrankten Personen. Dieser kann durch weniger Panikmache und damit weniger Windhundprinzip bei der Einführung neuer Impfstoffe oder durch eine Priorisierung bei den Impfungen erreicht werden. Man sollte aber bei diesem Thema auch nicht vergessen, dass die öffentliche Wahrnehmung bei Corona-Impfungen immer noch eine andere ist als bei den sonstigen Schutzimpfungen. Die Aufklärung der Bevölkerung sollte mit belastbaren wissenschaftlichen Daten und Fakten verstärkt werden, da viele Aspekte des Impfgeschehens, wie Entwicklung, Testung, Verfügbarkeit der Impfstoffe und auch Nebenwirkungen in zum Teil unseriösen Chatgruppen ausführlich diskutiert sowie auf Internetportalen und in der Boulevardpresse sensationslüstern kommentiert werden.

Hilfreich sind hier nach wie vor die Empfehlungen der Sächsischen Impfkommission.

Das Thema Corona nimmt auch in der KV Sachsen weiterhin einen großen Teil des Verwaltungsaufwandes ein. So stellen wir weiterhin das ärztliche Personal für die staatlichen Impfstellen zur Verfügung, organisieren die Schutzmaßnahmen in der Verwaltung und den Eigeneinrichtungen der KV Sachsen, stimmen uns mit den anderen am Impfgeschehen beteiligten Institutionen ab, übernehmen auch die Abrechnung der Testzentren und informieren unsere Mitglieder über Neuigkeiten und gesetzliche Vorgaben zu diesem Thema. Bei den Abstimmungen ziehen wir einen möglichen Anstieg der Infektionszahlen mit einer aggressiveren Variante des Virus in Betracht.

Andererseits gibt es Themen, denen wir uns in den vergangenen Jahren nicht bzw. nur eingeschränkt widmen konnten. Ich wäre froh, wenn hier wieder ein Stück Normalität in den Arbeitsalltag einziehen würde und hoffe, dass es Ihnen ebenso geht. In diesem Sinn verbleibe ich mit kollegialen Grüßen

Ihre Sylvia Krug