Aufgrund der Lieferengpässe bei GLP-1- Antagonisten und der medienwirksam vermarkteten Gewichtsabnahme unter dem GLP-1-/GIP-Rezeptoragonist Tirzepatid mehren sich die Verordnungswünsche. Doch aufgrund der Ergebnisse der frühen Nutzenbewertung und des hohen Preises kommen nur wenige, insulinpflichtige Patienten für eine Therapie mit Mounjaro® in Frage.

Der Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA) hat für den Wirkstoff Tirzepatid die Frühe Nutzenbewertung durchgeführt. Für das Arzneimittel Mounjaro® (Wirkstoff Tirzepatid) gilt aktuell:

IndikationZulassungstextG-BA-Beschluss vom 2. Mai 2024
Diabetes mellitus-Typ-2-

Das Arzneimittel ist angezeigt zur Behandlung von Erwachsenen mit unzureichend eingestelltem Typ-2-Diabetes mellitus als Ergänzung zu Diät und Bewegung

  • als Monotherapie, wenn die Einnahme von Metformin wegen Unverträglichkeiten oder Kontraindikationen nicht angezeigt ist,
  • zusätzlich zu anderen Arzneimitteln zur Behandlung von Diabetes mellitus.   

Anhaltspunkt für einen geringen Zusatznutzen: für Insulin-erfahrene Erwachsene mit Diabetes mellitus Typ 2 ohne manifeste kardiovaskuläre Erkrankung, die mit ihrem bisherigen Insulinregime zusätzlich zu Diät und Bewegung keine ausreichende Blutzuckerkontrolle erreicht haben

Zweckmäßige Vergleichstherapie:
Eskalation der Insulintherapie (konventionelle Therapie (CT) ggf. + Metformin oder Dulaglutid bzw. intensivierte Insulintherapie (ICT))

Gewichts-management:

Das Arzneimittel ist angezeigt als Ergänzung zu einer kalorienreduzierten Diät und erhöhter körperlicher Aktivität zum Gewichtsmanagement, einschließlich Gewichtsabnahme und Gewichtserhaltung, bei Erwachsenen mit einem Ausgangs-Body-Mass-Index (BMI) von

  • ≥ 30 kg/m² (Adipositas) oder
  • ≥ 27 kg/m² bis < 30 kg/m² (Übergewicht) bei Vorliegen mindestens einer gewichtsbedingten Begleiterkrankung (z. B. Hypertonie, Dyslipidämie, obstruktive Schlafapnoe, Herz-Kreislauf-Erkrankung, Prädiabetes oder Typ-2-Diabetes mellitus).

In der Indikation Gewichtsmanagement ist die Verordnung zu Lasten der Gesetzlichen Krankenversicherung ausgeschlossen, da nach § 34 Absatz 1 Sozialgesetzbuch V Arzneimittel zur Regulierung des Körpergewichts nicht unter die Leistungspflicht fallen. Aufgrunddessen gab es in der Indikation keine Bewertung und keinen Beschluss durch den G-BA.

Für alle anderen, vom G-BA-Beschluss umfassten Konstellationen wurde zum gegenwärtigen Zeitpunkt kein Zusatznutzen festgestellt. Zur Behandlung von unzureichend eingestelltem Typ-2-Diabetes mellitus kann eine Verordnung von Mounjaro® auf Kassenrezept unter Beachtung des Wirtschaftlichkeitsgebotes dann erfolgen, wenn die preiswerteren Alternativen im individuellen Fall kontraindiziert sind, nicht vertragen werden oder nicht ausreichend wirken. Allerdings ist eine generelle Insulinunverträglichkeit sicher äußerst selten und Gründe die Insulintherapie nicht eskalieren zu können ebenso. Dokumentieren Sie den erfolglosen Einsatz aller Therapiealternativen.

Die aktuellen Leitlinien zum Typ-2-Diabetes empfehlen Metformin als Erstlinientherapie und als Ergänzung, abhängig vom diabetesassoziierten individuellen Risiko SGLT-2-Hemmer wie Empagliflozin (Jardiance®) oder GLP-1-Agonisten wie Liraglutid (Victoza®), da Langzeitsicherheitsstudien für diese Vorteile bei der kardiovaskulären Prävention belegen. Die Jahrestherapiekosten von Tirzepatid, Liraglutid uns Empagliflozin sind im G-BA- Beschluss aufgeführt und betragen:

Wirkstoff:Jahrestherapiekosten* Patientin/Patient:
Tirzepatid3.174,71 € - 4.233,13 €
Liraglutid1.515,63 € - 2.273,44 €
Empagliflozin659,30 €- 837,64 €

* nach Abzug gesetzlich vorgeschriebener Rabatte, Stand Lauer-Taxe: 15. April 2024

Zu bedenken ist zusätzlich, dass beim GLP-1-/GIP-Rezeptoragonist Tirzepatid, wie schon beim GLP-1-Rezeptoragonisten Semaglutid (Ozempic®), nach dem Absetzen eine neuerliche Gewichtszunahme erwartbar ist (Phase-III-Studie SURMOUNT-4).

Bitte verordnen Sie Mounjaro® wegen der Gefahr eventueller kassenseitiger Regressanträge, ausschließlich indikationsgerecht und unter Beachtung des G-BA-Beschlusses und dokumentieren Sie die Hintergründe der Therapieentscheidung in der Patientenakte.

Am 22. März 2024 verabschiedete der Bundesrat das Gesetz zum kontrollierten Umgang mit Cannabis und zur Änderung weiterer Vorschriften (Cannabisgesetz), welches am 1. April 2024 in Kraft tritt. Dadurch ergeben sich Änderungen bei der Verordnung von Cannabis zu medizinischen Zwecken.

Ab 1. April 2024 wird Cannabis zu medizinischen Zwecken nicht mehr auf dem Betäubungsmittelrezept (BtM-Rezept) verordnet, sondern per eRezept beziehungsweise auf Muster 16. Auch das Fertigarzneimittel Sativex® ist ab 1. April 2024 kein BtM mehr. Ihre Software wird bis zum 30.04.2024 diese Präparate noch als Betäubungsmittel anzeigen und damit ist weder ein eRezept noch ein Ausdruck auf Muster 16 möglich. Ein Update kann aufgrund der kurzfristigen Gesetzesänderung erst zum 01.05.2024 durch die Praxissoftwareanbieter realisiert werden. In der Übergangszeit bis zum Update in Ihrer Software können Sie händisch ein Muster 16 ausstellen.

Im Gegensatz dazu wird Nabilon (Fertigarzneimittel Canemes®) als synthetischer Cannabinoid-Rezeptor-Agonist weiterhin in Anlage III des Betäubungsmittelgesetzes (BtMG) aufgeführt. Damit unterliegt der Wirkstoff auch künftig dem Anwendungsbereich des BtMG und muss somit weiterhin auf einem BtM-Rezept verordnet werden.

Hinsichtlich der sozialrechtlichen Vorgaben nach § 31 Abs. 6 SGB V sind durch das Cannabisgesetz keine Änderungen vorgesehen. Für eine Verordnung zulasten der gesetzlichen Krankenkassen ist eine Genehmigung der Krankenkasse, die vor der ersten Verordnung vorliegen muss, weiterhin unbedingt erforderlich.

Seit 2017 kann für Patienten mit einer schwerwiegenden Erkrankung  unter bestimmten Voraussetzungen eine Therapie mit Cannabis-Arzneimitteln verordnet werden.

Dies ist in Form von getrockneten Blüten oder Extrakten in standardisierter Qualität und mit Arzneimitteln mit den Wirkstoffen Dronabinol und Nabilon möglich.

Die Darstellungen der Medien hat bei vielen Patienten  mit chronischen Erkrankungen1 die Hoffnung geweckt, dass nun ein wirksames und sicheres (weil „natürliches“) Arzneimittel zur Verfügung steht. Diese Berichterstattung hat mit dazu beigetragen, dass es bei Hausärzten, Psychiatern, Neurologen und Schmerzmedizinern einen Andrang von Patienten2 gibt, die bei nicht schwerwiegenden Erkrankungen oder bei Erkrankungen, die anders behandelt werden könnten, teilweise vehement die Verschreibung von Cannabisblüten fordern3.

In der Zeit von März 2017 bis März 2022 wurde eine Begleiterhebung zu verschiedenen Cannabis – Arzneimitteln durchgeführt. Die anonymisierten Behandlungsdaten wurden ausgewertet und die Ergebnisse dem Gemeinsamen Bundesausschuss (G-BA) übermittelt. Sie bilden die Grundlage für die Ergänzung der Arzneimittel – Richtlinie (AM-RL).

Verfügbare Cannabis-Arzneimittel

Zu den Cannabis – Arzneimitteln zählen die Wirkstoffe Dronabinol und Nabilon sowie Cannabis in Form von getrockneten Blüten oder Extrakten in standardisierter Qualität mit mindestens 0,2% Tetrahydrocannabinol (THC).
Vor einer Verordnung von Cannabis in Form von getrockneten Blüten oder Extrakten ist zu prüfen, ob zur Behandlung andere geeignete cannabishaltige Fertigarzneimittel zur Verfügung stehen.  

Im Rahmen von Rezepturen können die getrockneten Cannabisblüten zur Inhalation vorbereitet und der Cannabis-Extrakt zu öligen Tropfen weiterverarbeitet werden. Aus Dronabinol können Kapseln oder Tropfen hergestellt werden.

In Deutschland zugelassene cannabishaltige Fertigarzneimittel sind Sativex® (enthält einen Dickextrakt, der auf Delta-9-Tetrahydrocannabinol und Cannabidiol eingestellt ist) und Canemes® (enthält Nabilon).

Sonderfall Cannabidiol (CBD)

Der Wirkstoff Cannabidiol ist nicht von den Regelungen des § 31 Abs. 6 SGB V erfasst. Das CBD-haltige Fertigarzneimittel Epidyolex® kann ohne Genehmigung verordnet werden, sofern es gemäß seiner Zulassung eingesetzt wird. Bei der Anwendung außerhalb seines zugelassenen Anwendungsgebietes wird ein Antrag auf Off-Label-Use empfohlen.

Voraussetzungen für die Verordnung

Die Verordnung von Cannabis-Arzneimitteln und somit auch deren Kostenübernahme durch die GKV sind in § 31 (6) des SGB V geregelt.

Die Voraussetzungen sind erfüllt, wenn

  1. eine allgemein anerkannte, dem medizinischen Standard entsprechende Leistung
    a)  nicht zur Verfügung steht oder
    b) im Einzelfall nach der begründeten Einschätzung der behandelnden Vertragsärztin oder des behandelnden Vertragsarztes unter Abwägung der zu erwartenden Nebenwirkungen und unter Berücksichtigung des Krankheitszustandes der oder des Versicherten nicht zur Anwendung kommen kann und

  2. eine nicht ganz entfernt liegende Aussicht auf eine spürbare positive Einwirkung auf den Krankheitsverlauf oder auf schwerwiegende Symptome besteht.

Genehmigungsverfahren

Die Leistung bedarf vor der ersten Verordnung für einen Versicherten der Genehmigung durch die Krankenkasse. Dies trifft nicht zu, wenn ein Fertigarzneimittel innerhalb seiner Zulassung eingesetzt werden soll. Die Krankenkasse zieht bei einem Antrag auf Kostenübernahme gegebenenfalls den Medizinischen Dienst (MD) zurate, um eine fachliche Einschätzung der Indikation zu bekommen. Die Genehmigung erfolgt dabei bezogen auf die Therapie und den Versicherten.
Eine Entscheidung zum Antrag muss innerhalb von zwei, wenn eine Begutachtung durch den MD erfolgt, innerhalb von vier Wochen nach Eingang bei den Krankenkassen getroffen sein. Die Cannabis-Therapie im Rahmen einer spezialisierten ambulanten Palliativversorgung (SAPV nach § 37 b SGB V) bedarf grundsätzlich keiner Genehmigung. 

Wird die Cannabis – Therapie bereits während eines stationären Aufenthalts begonnen oder erfolgt sie im Rahmen einer Allgemeinen Ambulanten Palliativversorgung (AAPV) so beträgt die Genehmigungsfrist drei Tage.

Eine erneute Genehmigung einer Verordnung ist nicht notwendig, bei

  • alleiniger Anpassung der Dosierung eines Cannabisarzneimittels,

  • Wechsel zwischen verschiedenen Cannabisextrakten in standardisierter Qualität,

  • Wechsel zwischen Cannabisblütensorten oder

  • Arztwechsel

In allen anderen Fällen (z.B. ein Therapiewechsel von Cannabisblüten auf ein Cannabisextrakt und umgekehrt) bedarf es dagegen einer neuen Genehmigung.

Unterlagen im Antragsverfahren:

Vor der erstmaligen Verordnung einer Cannabis – Therapie bedarf es der Genehmigung der Krankenkasse.

Im Antragsverfahren werden folgende Unterlagen benötigt:

  • ausgefüllter Arztfragebogen (bei der jeweiligen Krankenkasse erhältlich)

  • ggf. Krankenhausberichte

  • ggf. sonstige aussagekräftige Unterlagen

Eine Verordnung über ein Cannabis-Arzneimittel zum Zeitpunkt der Antragsstellung ist nicht möglich. Die Ausstellung eines Kassenrezeptes kann erst bei Vorliegen der Genehmigung durch die Krankenkasse erfolgen.

Wird der Antrag genehmigt, besteht Leistungsanspruch ab dem Tag der Genehmigung. Eine rückwirkende Erstattung von Cannabis-Arzneimitteln ist ausgeschlossen.

Therapieüberwachung

Vor der Verordnung von Cannabis-Arzneimitteln sollte wie auch bei anderen Arzneimittelverordnungen das Nutzen-Risiko-Verhältnis der Therapie geprüft werden. Beachten Sie absolute und relative Kontraindikationen wie Anwendung bei Kindern und Jugendlichen, schwangeren und stillenden Frauen, Personen mit Abhängigkeitserkrankungen, Psychosen und anderen psychischen Störungen und mit schweren Herzkreislauferkrankungen 4, 5, sowie erheblichen Leber- oder Nierenfunktionsstörungen.6
Die Cannabis-Behandlung ist innerhalb der ersten 3 Monate engmaschig und anschließend regelmäßig ärztlich zu überwachen. Bei Nichterreichen vordefinierter Behandlungsziele, inakzeptablen Nebenwirkungen oder bei Anzeichen von Missbrauch sollte die Therapie beendet werden.⁷

Preisgestaltung

Bei Fertigarzneimitteln sind die Preise durch Verhandlungen zwischen dem GKV-Spitzenverband und dem pharmazeutischen Unternehmer festgelegt und öffentlich bekannt. Die Preise von Rezepturarzneimitteln wurden zum 1. März 2020 zwischen dem Deutschen Apothekerverband und dem GKV-Spitzenverband in der Hilfstaxe neu geregelt. Für die Verordnung von Cannabis-Blüten gelten seitdem unabhängig von Sorte und Wirkstoffgehalt einheitliche Abrechnungspreise.

 

1 Das BSG-Urteil B 1 KR 28/21 R vom 10.11.2022 definiert, was als Vorliegen einer schweren Erkrankung gilt.

2 Die Verwendung der männlichen Form soll den Lesefluss erleichtern. Die Angaben in diesem Schreiben beziehen sich aber immer auf alle Geschlechter.

3 Medizinalcannabis und cannabisbasierte Arzneimittel: Ein Appell für einen verantwortungsbewussten Umgang, erschienen in Der Schmerz Ausgabe 5/2019 S. 466–470, Springer Nature, https://doi.org/10.1007/s00482-019-0387-x .

4 Häuser W, Finn DP, Kalso E, Krcevski-Skvarc N, Kress HG, Morlion B, Perrot S, Schäfer M, Wells C, Brill S. European Pain Federation (EFIC) position paper on appropriate use of cannabis-based medicines and medical cannabis for chronic pain management. Eur J Pain 2018; 22:1547-1564.

5 Havemann-Reinecke U, Hoch E, Preuss UW, Kiefer F, Batra A, Gerlinger G, Hauth I. [On the legalization debate of non-medical cannabis consumption: Position paper of the German Association for Psychiatry, Psychotherapy and Psychosomatics]. Nervenarzt 2017; 88:291-298.

⁶  Fachinformation Sativex

⁷  KBV, WirkstoffAktuell: https://www.akdae.de/Arzneimitteltherapie/WA/Archiv/Cannabis.pdf , letzter Zugriff: 10.05.2022

 

Die gemeinsame Arbeitsgruppe Arzneimittel der KV Sachsen und der
Landesverbände der Krankenkassen und Ersatzkassen in Sachsen

Die gemeinsame Arbeitsgruppe Arzneimittel der KV Sachsen und der Landesverbände der Krankenkassen und Ersatzkassen in Sachsen hat eine Übersicht über die Verordnungsmodalitäten Cannabishaltiger Fertigarzneimittel und Rezepturen erarbeitet. Diese finden Sie hier.

Agomelatin (Valdoxan® und Generika) ist zugelassen zur Behandlung von Episoden einer Major Depression bei Erwachsenen.

Gemäß den Fachinformationen der Hersteller wurde die Wirksamkeit und Sicherheit bei älteren Patienten nur bis zum Alter von unter 75 Jahren belegt. Bei Patienten ≥ 75 Jahren wurde die Wirksamkeit nicht belegt. Agomelatin sollte deshalb nicht bei Patienten dieser Altersgruppe angewendet werden.

In der PRISCUS-Liste werden potentiell inadäquate Medikamente für ältere Patienten aufgeführt. Auch hier ist Agomelatin gelistet. Als Gründe werden von den Experten mögliche Nebenwirkungen wie Agitiertheit, Verwirrung, Schlafstörungen und Schwindel genannt. Folgende Alternativen werden von den Experten vorgeschlagen: SSRI (Sertralin <100mg/Tag, Citalopram, Escitalopram), Mirtazapin, Trazodon.

Bitte berücksichtigen Sie die aufgeführten Informationen zum indikationsgerechten Einsatz von Agomelatinhaltigen Präparaten bei Ihrer Therapieentscheidung. Im Rahmen eines durch die Krankenkasse eröffneten Wirtschaftlichkeitsprüfverfahrens obliegt eine Bewertung/Anerkennung der Ausnahmetatbestände allein der Prüfungsstelle, die unabhängig von KV und Krankenkassen entscheidet. Aufgrund dessen kann nicht abgeschätzt werden, inwieweit die Prüfungsstelle im Falle eines Prüfverfahrens Regresse festsetzen würde.

Quellen:

Fachinformation Valdoxan® Stand 05/2020
Priscus Liste 2.0 Stand 2022

Veröffentlichung vom 27.09.2023

Autor: Gemeinsame Arbeitsgruppe der KV Sachsen/KV Thuringen und der AOK PLUS zur Vermeidung von Arzneikostenregressen

 

Forxiga® ist zur Behandlung von Erwachsenen und Kindern im Alter von 10 Jahren und älter mit unzureichend kontrolliertem Typ-2-Diabetes mellitus in Ergänzung zu einer Diät und Bewegung

  • als Monotherapie, wenn Metformin aufgrund einer Unverträglichkeit als ungeeignet erachtet wird oder

  • zusätzlich zu anderen Arzneimitteln zur Behandlung des Typ-2-Diabetes mellitus

sowie bei erwachsenen Patienten zur Behandlung der symptomatischen, chronischen Herzinsuffizienz und der chronischen Niereninsuffizienz zugelassen.

Gemäß Rote-Hand-Brief von Oktober 2021 ist Forxiga® (Dapagliflozin) 5 mg mit Wirkung zum 25.10.2021 nicht mehr für die Behandlung von Patienten mit Typ-1-Diabetes mellitus zugelassen und darf in dieser Population nicht mehr angewendet werden. Hintergrund für die Zulassungsrücknahme durch den Hersteller sind diabetische Ketoazidosen (DKA), welche bei Typ-1-Diabetikern häufig auftreten. DKA sind bei allen SGLT-2-Inhibitoren als Nebenwirkung beschrieben. Aktuell weist die Arzneimittelkommission der deutschen Ärzteschaft auf gemeldete Nebenwirkungen sowie entsprechende Risikofaktoren hin.
 
Forxiga® hat für alle Indikationen die empfohlene Dosierung von einmal täglich 10 mg. Bei schwerer Leberfunktionsstörung werden 5 mg als Anfangsdosis empfohlen und auf 10 mg erhöht, wenn diese zuvor gut vertragen wurde.

Eine N3-Packung Forxiga® 10 mg enthält 98 Tabletten, welche bei einmal täglicher Gabe dem Quartalsbedarf entspricht. Dementsprechend sollte nach der vierten N3-Verordnung innerhalb eines Jahres der Einsatz von Forxiga® kritisch hinterfragt werden. Die Verordnung von 5 oder mehr Packungen pro Patient und Jahr kann als unwirtschaftlich eingestuft werden. 

Bitte berücksichtigen Sie die aufgeführten Informationen zum indikationsgerechten Einsatz von dapagliflozinhaltigen Präparaten bei Ihrer Therapieentscheidung. Im Rahmen von Wirtschaftlichkeitsprüfverfahren obliegt eine Bewertung/Anerkennung von Ausnahmetatbeständen allein der Prüfungsstelle, die unabhängig von KV und Krankenkassen entscheidet. Aufgrund dessen kann nicht abgeschätzt werden, inwieweit die Prüfungsstelle im Falle eines Prüfverfahrens Regresse festsetzen würde.

Quellen:

Rote-Hand-Brief Oktober 2021 Forxiga, BfArM
Fachinformation Forxiga® Stand: 02.2023
Fachinformation Steglatro® Stand: 11.2022
Fachinformation Jardiance® Stand: 07.2022

https://www.akdae.de/arzneimitteltherapie/arzneiverordnung-in-der-praxis/ausgaben-archiv/ausgaben-ab-2015/ausgabe/artikel/2023/2023-1/ketoazidose-unter-sglt-2-inhibitoren, aufgerufen am 15.08.2023

Veröffentlichung vom 27.09.2023

Autor: Gemeinsame Arbeitsgruppe der KV Sachsen/KV Thuringen und der AOK PLUS zur Vermeidung von Arzneikostenregressen

Verordnungen oraler Eisenpräparate sollten im Hinblick auf das Wirtschaftlichkeitsgebot und die Vorgaben der Arzneimittel-Richtlinie kritisch hinterfragt und gut dokumentiert werden. Bitte nehmen Sie unsere Information zum Anlass, Ihre Verordnungen patientenbezogen zu prüfen.

Für die orale Eisensubstitution stehen in Deutschland zwei- und dreiwertige Eisenpräparate zur Verfügung. Diese sind größtenteils verschreibungsfrei in der Apotheke erhältlich. Die Verordnung dieser nicht verschreibungspflichtigen Arzneimittel auf einem Kassenrezept ist nur möglich für Kinder bis zur Vollendung des 12. Lebensjahres bzw. für Kinder und Jugendliche mit Entwicklungsstörungen bis zur Vollendung des 18. Lebensjahres.[1]

Außerdem ist die Verordnung von zweiwertigen Eisenpräparaten bei gesicherter Eisenmangelanämie für alle Altersgruppen eine Leistung der gesetzlichen Krankenversicherung.[2] Die Autoren des Arzneiverordnungsreports bezeichnen die orale Eisensubstitution als die Therapie der Wahl bei gesicherter Eisenmangelanämie, da sie wirksam, relativ sicher, einfach und kostengünstig ist.[3]

FERACCRU® mit dem Wirkstoff Eisen(III)-Maltol ist zur Behandlung des Eisenmangels bei erwachsenen Patienten zugelassen. Es ist das einzige orale Eisenpräparat, welches der Verschreibungspflicht unterliegt. Die Tagestherapiekosten (3,42 Euro)[4] übersteigen diejenigen der günstigsten verschreibungsfreien Eisenpräparate (ab 0,41 Euro)[5] um ein Vielfaches. Unter Beachtung der Vorgaben der Arzneimittel-Richtlinie[6] ist die Verordnung von FERACCRU® daher potentiell unwirtschaftlich.

Bitte berücksichtigen Sie die aufgeführten Informationen zum wirtschaftlichen Einsatz von oralen Eisenpräparaten bei Ihrer Therapieentscheidung. Im Rahmen eines Wirtschaftlichkeitsprüfverfahrens obliegt eine Bewertung/Anerkennung der Ausnahmetatbestände allein der Prüfungsstelle, die unabhängig von KV und Krankenkassen entscheidet. Aufgrund dessen kann nicht abgeschätzt werden, inwieweit die Prüfungsstelle im Falle eines Prüfverfahrens Regresse festsetzen würde.

Quellen:

[1]  § 34 Abs. 1 SGB V; Hinweis: Es ist möglich, dass Krankenkassen die Kosten für apothekenpflichtige, nicht verschreibungspflichtige Arzneimittel für alle Kinder und Jugendlichen ab dem 12. und bis zum 18. Geburtstag als Satzungsleistung übernehmen (z. B. die AOK PLUS).

[2]    Arzneimittel-Richtlinie, Anlage I, Nr. 17; die Zulassung des jeweiligen Arzneimittels sowie das Wirtschaftlichkeitsgebot sind zu beachten.

[3]    Ulrich Schwabe, Wolf-Dieter Ludwig, Arzneiverordnungs-Report 2020

[4]    Bruttokosten nach ABDA-Datenbank (Stand: 01.06.2021): Feraccru 30 mg, 56 HKP, Apo-VK 95,81 EUR, 2 x tägl. Anwendung, DDD-Kosten: 3,42 EUR

[5]    Bruttokosten nach ABDA-Datenbank (Stand: 01.06.2021), berücksichtigt wurden Präparate mit 100 mg Eisen(II)-Ion in der Packungsgröße 100 Stück; z. B. HAEMOPROCAN 100 mg Filmtabletten, Apo-VK 20,50 EUR, Dosierung Erwachsene: 2 x tägl. 1 Tablette, DDD-Kosten: 0,41 EUR

[6]    § 9 Abs. 2 Nr. 1 und § 12 Abs. 11 Arzneimittel-Richtlinie


KVS-Mitteilungen 11/2021
Die gemeinsame Arbeitsgruppe der KV Sachsen / KV Thüringen im Rahmen der Vereinbarung zur Vermeidung von Arzneikostenregressen

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