SMS, Krankenkassen und KV Sachsen beschreiten neuen Weg, um mit digitalen und telemedizinischen Anwendungen die Patientenbetreuung in augenärztlich schlecht versorgten Region zu verbessern.

Vor gut drei Jahren startete Augenarzt Dr. Simo Murovski in seiner Praxis in Zschopau das Modellprojekt Teleophthalmologie. Mit Unterstützung des sächsischen Gesundheitsministeriums, der Krankenkassen und der KV Sachsen wurde damit ein neuer Weg beschritten, um mit digitalen und telemedizinischen Anwendungen die Patientenbetreuung in einer augenärztlich schlecht versorgten Region zu verbessern. Im Interview spricht er über die bisherigen Erfahrungen, die Pandemie und seine weiteren Pläne.

Herr Dr. Murovski, wie schätzen Sie den Verlauf des Projektes ein?

Dr. Murovski: Anfangs gab es natürlich viel Erklärungsbedarf. Der Einsatz des Scanning-Laser-Ophthalmoskops, das sekundenschnell hochaufgelöste Bilder des Augenhintergrundes erzeugt, und anderer ophthalmologischer Geräte sind bisher einzigartig in der ambulanten Telesprechstunde. Da es unabhängig vom Facharzt durch speziell geschultes Praxispersonal bedient wird, kann der Praxisablauf flexibel und effizient gestaltet werden. Das hat viele Vorteile für die Patienten: Meist ist eine kurzfristige Terminvergabe möglich, berufstätige Patienten bekommen auch nachmittags Termine, so dass für sie wenig Arbeitsausfall auftritt. Sie erhalten pünktlich und zuverlässig ihre Diagnosen und die Mitteilung, welche Therapie geplant ist. Die Patienten können selbst mit dem Auto zur Praxis fahren und müssen sich nicht bringen lassen, da die Augentropfen zur Pupillenerweiterung für diese Untersuchung nicht notwendig sind.

Wie war es während der Pandemie?

Dr. Murovski: Es war ein Glück, dass das Projekt schon vorher auf den Weg gebracht worden war. Ich konnte die Ressourcen meiner Praxis nun viel besser nutzen. Die Telesprechstunde ist so getaktet, dass es keine Wartezeiten gibt. Das ist das beste Pandemiemodell! Kein Infektionsrisiko bzw. ein sehr geringes, kein volles Wartezimmer … Die reguläre Sprechstunde wurde und wird erheblich entlastet. Dadurch, dass ich frei entscheiden kann, von wo aus ich auf die Befunde zugreife und wann ich sie auswerte, eröffnet sich tatsächlich Raum für mehr Termine.

Was hat sich für Sie bzw. Ihre Praxis durch das Projekt noch verändert?

Dr. Murovski: Wir sind äußerst vorsichtig an das Projekt herangegangen. Bis Ende 2021 habe ich, wie es vorgesehen war, nur bereits bekannte Patienten behandelt. Auch war die Untersuchung vorerst nur für zwei Diagnosen im Einsatz, zum einen für Glaukom- und zum anderen für Diabetespatienten. Damit ist jedoch für die Telemedizin die Anzahl meiner dafür geeigneten Patienten begrenzt. Deshalb wurde ab Januar 2022 der Vertrag mit den Kassen so ausgeweitet, dass auch Diabetespatienten behandelt werden können, die bisher nicht in meiner Praxis waren. Langsam wächst die Zahl der Anmeldungen.

Es können also Hausärzte und Diabetologen ihre Diabetespatienten direkt zu Ihnen überweisen?

Dr. Murovski: Ja, sehr gern. Da die Krankheit chronisch ist und meist regelmäßig und lebenslang auch durch einen Augenarzt kontrolliert werden sollte, erscheint mir die Zusammenarbeit sinnvoll. Ich kann den aktuellen Zustand des Auges und das Stadium der Erkrankung erfassen und an den überweisenden Arzt übermitteln. Die Befunde liegen digital vor und sind über einen langen Zeitraum immer wieder verfügbar, was gerade bei chronischen Erkrankungen sowie für die notwendige Qualitätssicherung wichtig ist.

Wie erfolgt die Qualitätssicherung?

Dr. Murovski: Das Projekt wurde von universitären Fachbereichen geprüft und evaluiert. Professor Matus Rehak (damals Universität Leipzig, jetzt Universität Gießen) widmete sich dabei den Diabetespatienten, Professor Kai Januschowski, übrigens einer der besten Netzhautchirurgen der Welt (erst Universität Tübingen, jetzt Trier) war für die Evaluation der Glaukompatienten zuständig. Die Auswertung mit Hilfe einer Softwareplattform und spezieller Datenbanken ergab eine hohe Übereinstimmung von Klinik, klassischer Augenarztpraxis und Telepraxis. Damit wurde der Nachweis erbracht: Die Telemedizin ist sehr zuverlässig. Die beiden Professoren schätzten ein, dass die Teleopthalmologie für die untersuchten Patientengruppen mindestens gleichwertig zur klassischen Untersuchung einzustufen ist.

Wie nehmen Ihre Patienten das telemedizinische Angebot an?

Dr. Murovski: Anfangs gab es auch Skepsis von Seiten der Patienten. Dass nicht der Arzt oder die Ärztin, sondern eine Schwester alle Untersuchungsgeräte bedient und alles so technisch abläuft, war ihnen schon etwas fremd. Doch mit der schnellen Auswertung und der zuverlässigen Zustellung der Rezepte waren die meisten sehr zufrieden. Um ganz sicher zu gehen, haben wir anonyme Patientenumfragen durchgeführt, die überwiegend positiv ausfielen. Zudem besteht natürlich immer die Möglichkeit, im Akutfall zu mir oder meiner Kollegin in die Praxis zu kommen.

Hat dieses Modell auch andere Praxen bzw. Kollegen interessiert?

Dr. Murovski: Anfangs ja. Auch aufgrund der medialen Berichterstattung kamen Anfragen aus der Region, wie zum Beispiel Forschungsgruppen, und ich habe auch Kollegen in Dresden und Leipzig das Projekt vorgestellt. Bisher wurden die Kontakte jedoch noch nicht ausgebaut. Auch aus Bayern hatten sich verschiedene Interessenten gemeldet, ebenso aus Hessen. Wir sollten auch die Zusammenarbeit mit den Kliniken forcieren, um alle Möglichkeiten für die ländliche Versorgung zu bündeln. Ich kann mir auch weitere Kooperationen mit der KV Sachsen vorstellen.

Zum ärztlichen Verfahren

Zur Befunderhebung kommt unter anderem ein Scanning-Laser-Ophthalmoskop zum Einsatz, das in Sekundenschnelle ein hochaufgelöstes Bild vom Augenhintergrund erzeugt. Bedient wird es vom qualifizierten Personal der Praxis. Die Ergebnisse werden per Internet auf einem speziell gesicherten Server gespeichert.

Nach einem vorangegangenen persönlichen Kontakt mit dem Patienten kann der Augenarzt dann, unabhängig von Ort und Zeit, auf die verschlüsselten Befunde zugreifen und eine Diagnose stellen. Innerhalb von drei Tagen erhält der Patient schriftlich seinen Befund, der eine qualifizierte Weiterbehandlung auch durch den Hausarzt ermöglicht. Im Falle von behandlungsbedürftigen krankhaften Veränderungen wird der Patient zum weiteren persönlichen Gespräch mit dem Augenarzt bestellt.