"Legislaturperioden und gesundheitspolitische Kontinuität schließen sich aus."

Liebe Kolleginnen und Kollegen,

einen Mangel an Gesetzesänderungen gibt es im Bereich des Gesundheitswesens seit jeher nicht, wenngleich sich Minister a. D. Spahn hierbei in quantitativer Hinsicht besonders hervorgetan hat. Massenweise Gesetze sprechen dafür, dass „große Würfe“ in den letzten Jahrzehnten eher nicht dabei waren. Ausgeschlossen ist aber auch nicht, dass selbst ein „großer Wurf“ in der nachfolgenden Legislatur, bedingt durch geänderte politische Kräfteverhältnisse, wieder kassiert oder nivelliert werden würde. Mit anderen Worten: Legislaturperioden und gesundheitspolitische Kontinuität schließen sich aus.

Man kann sich einreden, dass diese Feststellung nicht nur negativ ist, denn bei legislativen Blödsinnigkeiten, wie Honorarabschlagsregelungen bei Tätigkeit in überversorgten Planungsbereichen, konnte man berechtigt hoffen, dass sie nicht ewig Bestand haben würden. Das politische Denken und Handeln in Vier-Jahres-Sequenzen dürfte aber insgesamt mehr Nach- als Vorteile bieten, denn eine nachhaltige Gestaltung der Verhältnisse im Sinne einer Bismarckschen Gesetzgebung ist hierdurch kaum zu erwarten. So gibt es seit der Jahrtausendwende eine muntere Folge von Gesetzgebungen und man darf immer wieder gespannt sein, was den befristeten Gesundheitsexperten diesmal einfällt.

Betrachtet man die selten von Griffigkeit geprägten Titel der Gesetze, machen besonders jene nervös, bei denen der Name auf eine Absicht zum Sparen hindeutet – Stichwort: KOSTENDÄMPFUNG! In gewissen Abständen wird der Politik nämlich die Kostenrelevanz ihres Handelns bewusst – ein Finanzierungskonzept für die „Ewigkeit“ von mehr als vier Jahren ist – siehe oben – jedoch beinahe ausgeschlossen. Das Sparen zum Ziel hatten in der jüngeren Vergangenheit z. B. das GKV-Finanzstärkungsgesetz, das GKV-Finanzierungsgesetz und das GKV-Finanzstrukturgesetz. In diese Terminologie passt geradezu perfekt das nahende oder besser drohende GKV-Finanzstabilisierungsgesetz.

Wie Sie sicherlich noch wissen, brachte das sich eher der Versorgung verschriebene TSVG (Terminservice- und Versorgungsgesetz) teilweise brauchbare Neuerungen sowohl in Bezug auf die Patienten bzw. die Versorgung als auch für Ärzte mit sich, wenn man an die Zuschlagsregelungen für Terminvermittlungen denkt. Als grundsätzlich sachgerecht, allerdings in der Ausgestaltung durchaus verbesserungsfähig und leider auch nicht bürokratiearm, erwies sich insbesondere die Neupatientenregelung. So erhalten seit dem 1. September 2019 Ärzte die Behandlung neuer Patienten grundsätzlich extrabudgetär und damit in voller Höhe vergütet. Als „neu“ gelten Patienten, die weder im aktuellen noch in den acht vorangegangenen Quartalen in der jeweiligen Praxis waren. Diese Vergütungsregelung wird nun aller Wahrscheinlichkeit nach mit dem GKV-Finanzstabilisierungsgesetz zu Grabe getragen. „Gesetz für schnellere Termine und bessere Versorgung“ – so wurde das TSVG propagiert. Die Bezeichnung GKV-VERSORGUNGSVERSCHLECHTERUNGSGESETZ für das nun drohende Regelwerk dürfte die Politik wohl ablehnen.

Ärgerlich ist die Beseitigung dieser Vergütungsregelung besonders deshalb, weil sie für die Patienten wirkungsvoll ist und zugleich auf die Vergütung des Mehraufwands von Neupatienten im Verhältnis zu „Bestandskunden“ abstellt.  An dieser Stelle ist aber unbedingt noch anzumerken, dass das „Geschenk“, welches jetzt wieder eingesammelt wird, lediglich darin bestand, dass zumindest für diesen kleinen Teil der Patienten eine ungeminderte Vergütung in Höhe des in der Gebührenordnung festgeschriebenen Preises erfolgte.

Ärgerlich ist diese Änderung auch deshalb, weil unsere KV ein Förderungsmodell „Neupatienten“ bereits ab 1. Oktober 2014 ins Leben gerufen hatte und somit quasi Vorreiter der gesetzlichen Neupatientenregelung war. Immerhin hatte damit eine Neupatientenförderung für die „Ewigkeit“ länger als eine Legislaturperiode der Bundespolitik überlebt. Dies lässt bei berufsoptimistischer Sicht zwar keine Freude, aber immerhin das Gefühl aufkommen, weiter als die Gesundheitspolitik gedacht zu haben. Ich denke, diesen Ansatz sollten wir unbedingt beibehalten. In diesem Sinne verbleibe ich

mit freundlichen und kollegialen Grüßen

Ihr Klaus Heckemann