Der Bundesgerichtshof musste sich am 9. November 2021 (Beschluss vom 09.11.2021 – VIII ZR362 / 1) mit einem Sachverhalt befassen, der ebenso für niedergelassene Ärztinnen und Ärzte relevant sein kann.

Die Parteien stritten bis zum Bundesgerichtshof um die Wirksamkeit eines Kaufvertrages über den Patientenstamm einer Zahnarztpraxis. Der Kläger – ein niedergelassener Zahnarzt – und die Beklagte – die in derselben Stadt wie der Kläger eine Praxis betreibt – schlossen vor dem Hintergrund der beabsichtigten Berufsaufgabe der beklagten Zahnärztin einen Kaufvertrag über den Patientenstamm der Praxis. Gleichzeitig sah der Vertrag die künftige Versorgung der Patienten durch den
Kläger vor.

Zur Umsetzung der vertraglichen Abreden wurde unter anderem die Umleitung der Anrufe vereinbart. Mit vollständiger Zahlung des Kaufpreises sollte die Patientenkartei mit sämtlichen Krankenunterlagen in das Eigentum und den Besitz des Klägers übergehen, soweit eine schriftliche Einwilligungserklärung der Patienten vorliegt. Unabhängig von einer Einwilligung sollte der Kläger die manuell geführte Patientenkartei (in einem verschlossenen Schrank) sowie die elektronische Kartei – geschützt durch ein Passwort – für die Beklagte in Verwahrung nehmen. Als Kaufpreis für den Patientenstamm sowie für die Internet-Domain und Telefonnummer wurden 12.000 Euro vereinbart. Im Vertrag verpflichtete sich die beklagte Zahnärztin auch dazu, ihre Patienten über die Beendigung ihrer Tätigkeit als Zahnärztin und die Übernahme der Patienten durch den Kläger durch Rundschreiben zu informieren sowie den Patienten die Fortsetzung der Behandlung durch den Kläger zu empfehlen.

Nach der Unterzeichnung des Vertrages wandte sich die später beklagte Zahnärztin an die Landeszahnärztekammer und holte eine Auskunft ein. Daraufhin verweigerte sie die Erfüllung des Vertrages wegen „Verstoßes gegen eine Verbotsnorm“.

Sowohl das Landgericht als auch das Oberlandesgericht Nürnberg hatten die Klage abgewiesen. Das OLG stützte sich zur Nichtigkeit auf die Verletzung der strafrechtlichen Vorschriften zur Bestechung und Bestechlichkeit im Gesundheitswesen. Der Bundesgerichtshof hat offengelassen, ob mit dem Vertrag strafrechtliche Vorschriften verletzt wurden. Das höchste deutsche Zivilgericht folgte im Ergebnis der Argumentation des Oberlandesgerichtes und bestätigte die Nichtigkeit des abgeschlossenen Kaufvertrages, da dieser gegen ein Verbotsgesetz verstößt. Die Bundesrichter stützten sich – anders als das OLG – auf einen Verstoß gegen die Berufsordnung. Der BGH wies darauf hin, dass der Vertrag die Vorschrift des § 8 Abs. 5 der Berufsordnung der Bayerischen Zahnärzte verletzt. Nach dieser Vorschrift ist es dem Zahnarzt nicht gestattet, für die Zuweisung von Patienten oder Untersuchungsmaterial ein Entgelt oder eine sonstige wirtschaftliche Vergünstigung zu fordern, sich versprechen oder gewähren zu lassen oder selbst zu versprechen oder zu gewähren.

Der Hinweisbeschluss des BGH, der schließlich zur Revisionsrücknahme durch den Kläger führte, ist auch für Ärztinnen und Ärzte relevant. Auch die Berufsordnung der Sächsischen Landesärztekammer enthält eine entsprechende Regelung im § 31. Der Bundesgerichtshof musste sich aufgrund der Regelung in der Berufsordnung nicht damit befassen, ob die Vereinbarung aufgrund anderer Vorschriften (Schweigepflicht, Datenschutz) angreifbar sein könnte.

Die Entscheidung des BGH entspricht sicherlich der geltenden Rechtslage. Allerdings lohnt es sich, darüber nachzudenken, ob die Schöpfer der Regelung zur unerlaubten Patientenzuweisung in den jeweiligen Berufsordnungen Abreden wie die hier getroffenen überhaupt im Blickfeld hatten. Die Hintergründe für das Zustandekommen des hier strittigen Vertrages ergeben sich nicht aus dem Beschluss des Bundesgerichtshofes. Eine Ärztin oder ein Arzt, der keine Chance hat, einen Nachfolger zu finden, könnte auf die aus seiner Sicht durchaus nachvollziehbare Idee kommen, einen solchen Vertrag abzuschließen. Bei der Idee sollte es allerdings bleiben, denn nach der o. g. Entscheidung des BGH würde die Umsetzung der Idee dazu führen, dass ein nichtiger – und damit angreifbarer – Vertrag abgeschlossen würde.