Wer eine Praxisgemeinschaft tatsächlich wie eine Gemeinschaftspraxis (Berufsausübungsgemeinschaft BAG) führt, setzt sich Risiken aus - eine Entscheidung des Landessozialgerichtes macht dies deutlich.

Wer eine Praxisgemeinschaft tatsächlich wie eine Gemeinschaftspraxis (Berufsausübungsgemeinschaft BAG) führt, setzt sich erheblichen Risiken aus. Insbesondere z. B. drohen Honorarrückforderungen, die existenzgefährdend werden können. Eine Abrechnungsauffälligkeit wird vermutet, wenn bei einer aus versorgungsidentischen Praxen bestehenden Praxisgemeinschaft eine Patientenidentität von mehr als 20 Prozent vorliegt. Die folgende aktuelle Entscheidung des Landessozialgerichtes macht dies deutlich (vgl. LSG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 09.06.2021 – L z KA 13/19).

Zusammengefasst liegt dem Urteil folgender Sachverhalt zugrunde: Die Klägerin ist Fachärztin für Anästhesiologie in einer Einzelpraxis. Im strittigen Zeitraum der Quartale I/2010 bis IV/2012 hatte sie mit einem anderen Facharzt für Anästhesiologie eine Praxisgemeinschaft betrieben zur gemeinsamen Nutzung von Operationsräumen in einem ambulanten OP-Zentrum an einem Krankenhaus.

Zunächst wurden die Abrechnungen der vier Quartale einer Plausibilitätsprüfung nach § 106a SGB V durch die Kassenärztliche Vereinigung unterzogen. Der Ärztin wurde mitgeteilt, dass das Auffälligkeitskriterium von 20 Prozent gemeinsamer Patientenbehandlungen bei fachgleichen Praxen überschritten sei. Der Plausibilitätsausschuss gelangte nach einer stichprobenhaften Analyse zu der Einschätzung, dass eine kassenarztwidrige gemeinsame Behandlungstätigkeit vorliegen würde. Die Patienten seien durch eine chirurgische Praxis zum Anästhesisten überwiesen worden. Danach sei die anästhesiologische Betreuung der Patienten durch die Ärztin und den anderen Anästhesisten (mit dem sie eine Praxisgemeinschaft betrieb) durchgeführt und abgerechnet worden. Es sei wie bei einer Berufsausübungsgemeinschaft agiert worden. Eine der beiden Praxen habe die präanästhesiologische Untersuchung durchgeführt und abgerechnet, die andere Praxis die eigentliche Narkose. Für weitere Quartale wurde eine detaillierte Prüfung durchgeführt. Gegen die aus der Plausibilitätsprüfung resultierende Rückforderung der KV wehrte sich die Klägerin mit Widerspruch und nach erfolglosem Widerspruch schließlich mit einer Klage beim Sozialgericht. Sowohl das Sozialgericht als auch das Berufungsgericht (Landessozialgericht) wiesen die Klage ab. In einem Parallelverfahren wurde auch der zweite Arzt der Praxisgemeinschaft geprüft und einer sachlich-rechnerischen Prüfung unterzogen, gegen die er sich ebenso erfolglos zu wehren versuchte.

Das LSG bestätigte sowohl die Auffälligkeitsprüfung für die genannten vier Quartale als auch die im Zuge der Einzelfallprüfung geforderte Rückforderung für die darüber hinausgehenden Quartale, obwohl für diese Quartale die 20-prozentige Patientenidentität nicht erreicht war. Die Richter wiesen im Urteil darauf hin, dass es auf das Erreichen eines bestimmten prozentualen Anteils identischer Patienten nicht ankomme, wenn – wie im entschiedenen Fall – nach Art einer Berufsausübungsgemeinschaft agiert wurde und nur nach außen hin der Eindruck erweckt wurde, es handele sich um eine Praxisgemeinschaft.

Es sei ferner in keinem Fall ein rechtmäßiger Vertretungsgrund dargelegt worden. Vielmehr erfolgte eine Art kollegiale Vertretung auf Zuruf sowie nach tätlichen Notwendigkeiten, wie sie nur in einer Berufsausübungsgemeinschaft üblich und unproblematisch sei. Die im konkreten Fall praktizierte Vertretung sei keine Vertretung im Sinne des § 32 Abs. 1 Satz 2 Ärzte-ZV (Vertretung in Abwesenheit aus einem der dort genannten Gründe: Urlaub, Krankheit, Fortbildung, Wehrübung und Schwangerschaft). Eine Vertretung könne nur für Konstellationen greifen, in denen der Vertragsarzt nicht in der Lage sei, selbst vertragsärztlich tätig zu werden. Eine Praxisgemeinschaft könne nicht unter Hinweis auf die generelle Vertretungsbefugnis wie eine Berufsausübungsgemeinschaft (Gemeinschaftspraxis) betrieben werden. Die Richter ließen auch nicht die Besonderheiten bei Praxen von Fachärzten für Anästhesiologie gelten.

Fazit

In Konstellationen wie im o. g. Fall , wo ein Arzt (von Notfällen abgesehen) kurzfristig für einen anderen Arzt tätig werden muss, ist die Praxisgemeinschaft nicht die richtige Gestaltungsform. Hier ist eine Berufsausübungsgemeinschaft (Gemeinschaftspraxis) das richtige Rechtsinstitut. Diese muss vorher von dem zuständigen Zulassungsausschuss genehmigt werden (§ 33 Abs. 3 Satz 1 Ärzte-ZV).