Es wird aber nur zu sinnvollen und nutzbringenden Lösungen kommen, wenn wir definieren, was wirklich gebraucht wird und die Planung und Umsetzung, z. B. über unsere Berufsverbände, kritisch begleiten.

zunehmend werden technische Lösungen zur Kommunikation im Medizinwesen (KIM) angeboten. Das soll die Arbeitsabläufe in den Praxen optimieren und uns die Arbeit erleichtern. Dabei ist die Anbindung an solche Systeme den Praxen nicht freigestellt. Der Gesetzgeber will die Umsetzung vorantreiben und hat Fristen festgelegt. Gleichzeitig wirken Mechanismen bei der Vergütung, die uns motivieren sollen, man könnte auch sagen, es wird mit Bestrafung gedroht. Die Situation des Einzelnen ist dabei aber eben sehr differenziert.

Die technische Infrastruktur ist mancherorts nicht verfügbar. Ohne Netz nichts los!

Für Praxen, die an dieser Stelle vom Fortschritt abgehängt sind, erübrigt sich die weitere Diskussion. Das werden zum Glück immer weniger sein. Aber für einen zeitgemäßen wirtschaftlichen Betrieb von Einrichtungen jeglicher Couleur ist ein suffizienter Anschluss an das Internet in der heutigen Zeit ein wesentlicher Standortfaktor und unerlässlich.

Wenn dann das „Tor zur Welt“ offen steht, stellt sich die Frage, wie gehe ich damit um? Hier stehen Datenschutz und Datensicherheit im Zentrum der Überlegungen. Eine sichere Verschlüsselung ist beim Austausch von Sozialdaten zwingende Voraussetzung.

Zur Verschlüsselung braucht es aber den Konnektor. Bei der entschleunigten Einführung digitaler Lösungen werden nunmehr erste Lizenzen für Konnektoren ungültig. Und das in einer Situation, wo verfügbare Anwendungen noch nicht den Nutzen im Praxisalltag gezeigt haben. In der Mehrzahl der Fälle haben wir beim Versicherten-Stammdaten-Abgleich mehr oder weniger Probleme, die den Praxisablauf erheblich stören, behoben. Ein Nutzen für unsere Praxen ist aber mit dieser Umsetzung nicht greifbar. Die Diskussion um die Kostenbelastung für das System wird zur Zeit geführt. Auf das Ende darf man in Zeiten knapper Ressourcen gespannt sein. Die nächsten angeordneten Anwendungen wie eAU und eRezept kündigen sich ebenfalls mit schaurigen Vorbotschaften und wiederum ohne erkennbaren Nutzen für den Praxisablauf an.

Es ist und bleibt eine unabdingbare Forderung: Digitale Anwendungen müssen einen spürbaren Nutzen für Arzt und Patient haben!

In den Jahren der Pandemie wurden dabei die Defizite moderner Kommunikation deutlich sichtbar. Die Einschränkung in der Mobilität, Kontaktverbote und weitere Maßnahmen zur Reduktion von möglichen Infektionsketten haben dazu geführt, dass von ärztlicher Seite wie auch von Patientinnen und Patienten digitale Hilfsmittel vermehrt nachgefragt und genutzt wurden.

Die Zahl der Praxen mit TI-Anschlüssen hat sich in Sachsen vom IV. Quartal 2019 zum IV. Quartal 2021 von 4.916 auf 5.230 erhöht. Knapp 92 Prozent der Praxen sind somit an die TI angeschlossen. Wurden in IV/2019 von sechs Ärzten und Psychotherapeuten in Sachsen Videosprechstunden angeboten, so waren es I/2021 bereits 924. Die Anzahl der Videosprechstunden hat sich dabei in diesem Zeitraum von 130 auf 26.785 erhöht.

Im Quartal III/2000 hatten 29 Praxen in Sachsen eine Anbindung an das Vorgängersystem zur Kommunikation im Medizinwesen (KV-Connect). IV/2021 ist die Zahl auf 2.037 gestiegen. Die Zahl der Anbindungen steigt bundesweit um ca. 2.000 je Monat. Im Sommer dieses Jahres sind weit über 100.000 KIM-Anschlüsse in Deutschland veröffentlicht. Das ist eine gute Basis für die Kommunikation. Mit der Bereitstellung der KIM wird eine nach dem Stand der Technik sichere Lösung umgesetzt. KIM ermöglicht den sicheren elektronischen Datenaustausch zwischen registrierten, authentifizierten Nutzern der TI. Dazu gehören medizinische Einrichtungen wie Praxen, Krankenhäuser, Apotheken und auch Krankenversicherungen. Nachrichten und Dokumente einmal erhobener und erfasster Daten können dank KIM schnell, zuverlässig und vor allem sicher verschlüsselt per E-Mail, ohne Medienbruch, ausgetauscht werden.

Der eArztbrief ist die erste Anwendung der TI, die aus Sicht der Praxen Sinn macht. Wurden in I/2019 2.433 eArztbriefe in Sachsen versendet, so sind es 6.735 in III/2021. In I/2021 nutzten das aber nur 316 (rund 5 Prozent) der Praxen.

Wir bieten in unserer Praxis den digitalen Versand der Befunde schon seit längerer Zeit an. Zur Zeit werden rund 60 Prozent aller Befunde als eArztbrief versendet. Die Praxen, die dieses Medium nutzen, wollen das nicht mehr missen. Natürlich kommt es auch bei uns hin und wieder zu Störungen, die den Ablauf verzögern. Interessant ist, wie wir in der Regel darauf aufmerksam werden. Wir erhalten Rückfragen von unseren Zuweisern, die feststellen, der Patient habe doch bereits vor einer Stunde unsere Praxis verlassen, er sei nun wieder in der Sprechstunde zurück, aber der Befund ist noch nicht im Postfach eingegangen. Auch das kann dann als Mangel empfunden werden.

Die Einführung des eArztbriefes wird über das Honorar gefördert.

Für die Auszahlung der abgerechneten GOPn 40110 und 40111 (Briefversand) wurden hingegen Höchstwerte festgelegt. In I/2021 wurden für die Leistungen im Briefversand in Sachsen 830.416 Euro abgerechnet. Davon wurden entsprechend der Höchstwertregel nur 396.793 Euro ausgezahlt, heißt 433.796 Euro wurden nicht vergütet und bedeuteten ein Defizit für die Praxen. Das ist zwar mit durchschnittlich 70 Euro je Praxis „nur die Portokasse“, aber es summiert sich und nach Beschluss des Bewertungsausschusses reduziert sich der oben erwähnte Höchstwert kontinuierlich weiter. Die Nicht-Nutzung des eArztbriefes ist damit letztlich verschenktes Honorar.

Viel schlimmer aus meiner Sicht: Es ist eine verpasste Chance, Arbeitsabläufe in der Praxis zu optimieren. Dank KIM können Nachrichten und Dokumente schnell, zuverlässig und vor allem sicher verschlüsselt per E-Mail ausgetauscht werden. Der Einsatz von Möglichkeiten der medienbruchfreien Kommunikation ist zweifelsfrei ein Weg, mit erforderlichen Dokumentationen effizienter umzugehen. Nur das kann das Ziel der Nutzung digitaler Medien sein.

Bei immer mehr Praxisinhabern reift die Erkenntnis, dass ein praxiseigenes Online-Terminportal sehr hilfreich ist. Grundsätzlich ist hier eine wesentliche Entlastung im Praxismanagement zu erreichen. Von Patientinnen und Patienten werden zunehmend solche Portale auch außerhalb der Praxiszeit für eine Terminvereinbarung genutzt. Das kann auch ein Wettbewerbsvorteil sein.

Man stelle sich vor, eine flächendeckende Verfügbarkeit eines digitalen kontinuierlichen sensorgestützten Monitorings bei ambulant betreuten chronischen Patienten wäre zuerst für Ärzte und nicht für Google verfügbar. Oder man könnte eine sichere Messenger-App zur schnellen innerärztlichen Kommunikation nutzen. Oder eine verlässliche Interoperabilität zwischen den Softwaresystemen würde bestehen. Das Angebot digitaler Unterstützungen für das Gesundheitswesen ist noch deutlich verbesserungswürdig. Dabei stellt die Qualifizierung von Ärzteschaft, MFA und Angehörigen von Pflegediensten für den Umgang mit digitalen Anwendungen natürlich eine besondere Herausforderung dar.

Es wird aber nur zu sinnvollen und nutzbringenden Lösungen kommen, wenn wir definieren, was wirklich gebraucht wird und die Planung und Umsetzung, z. B. über unsere Berufsverbände, kritisch begleiten. Die exzessive Zunahme der in Mode gekommenen sogenannten digitalen Gesundheitsanwendungen (DiGAs) ist hier allerdings gerade nicht gemeint. Es gibt noch viel zu tun, um im Zusammenhang mit digitalen Lösungen nicht weiterhin über das Ende der Vernunft zu orakeln.

Mit freundlichem kollegialen Gruß

Ihr Klaus Hamm