Bericht von der 80. Vertreterversammlung der KV Sachsen am 18. Mai 2022 in Leipzig

Zum ersten Mal seit Beginn der Corona-Pandemie fand die Vertreterversammlung der KV Sachsen wieder als gemeinsame Präsenzveranstaltung statt. Zu den Hauptthemen der Tagesordnung zählte neben den Geschäftsberichten der Abschlussbericht zur Bereitschaftsdienstreform.

Der Vorsitzende der Vertreterversammlung, Dr. Stefan Windau, begrüßte Referatsleiterin Andrea Keßler aus dem Sächsischen Staatsministerium für Soziales und Gesellschaftlichen Zusammenhalt. Ebenso wurden der Ehrenvorsitzende der KV Sachsen, Dr. Hans-Jürgen Hommel, sowie Dr. Reinhard Martens, Vorsitzender des Beratenden Fachausschusses für Psychotherapie, Dr. Frank Habermann, Vorsitzender des Beratenden Fachausschusses der Angestellten Ärzte und Psychotherapeuten sowie die Mitglieder der Vertreterversammlung herzlich willkommen geheißen. Die Beschlussfähigkeit wurde festgestellt.

Mit einer gemeinsamen Gedenkminute würdigten die Anwesenden Prof. Heiner Porst, der am 19. März 2022 nach kurzer, schwerer Krankheit im Alter von 78 Jahren verstorben war. Dr. Windau erinnerte noch einmal an gemeinsame Stationen seines Lebens und hob insbesondere die konstruktive Zusammenarbeit mit ihm hervor. Prof. Porst war viele Jahre in der Vertreterversammlung tätig, darunter als Vorstandsmitglied der außerordentlichen Mitglieder und von 2005 bis 2007 stellvertretender Vorsitzender der Vertreterversammlung.
2011 wurde er zum stellvertretenden Vorstandsvorsitzenden der KV Sachsen gewählt. Untrennbar mit seiner Person verbunden ist das gemeinsame Modellprojekt mit der Universität Pécs zur Gewinnung junger Mediziner „Studieren in Europa – Zukunft in Sachsen“, das er 2013 als einer der beiden Gründungsväter mit aus der Taufe hob.

Bericht des Vorsitzenden der Vertreterversammlung

Seit der letzten Zusammenkunft sei viel passiert, sagte Dr. Windau. Die Corona-Pandemie sei anscheinend vorerst überstanden. Eine Zäsur war auch der Ministerwechsel im Bundesgesundheitsministerium, aber das, was Jens Spahn zu viel an Aktionismus gezeigt hatte, sei bei Karl Lauterbach offenbar zu gering ausgeprägt. Es gebe viele kritische Themen wie die Krankenhausfinanzierung und den Pflegenotstand. Doch es seien zu wenig Lösungsmöglichkeiten zu sehen, da erwarte er mehr Initiativen, auch wenn manches schwierig fortzuführen sei, was unter Spahn begonnen wurde.

Die Agenda des Bundesgesundheitsministeriums (BMG) sehe er als wenig substanziell an, so Dr. Windau. Sie sei nur eine verkürzte, geschrumpfte Ausgabe des Koalitionsvertrages, und wie die einzelnen Themen umgesetzt werden sollten, sei unklar. Der während der Corona-Pandemie versprochene Pflegebonus im ambulanten Bereich sei immer noch nicht beschlossen.

Was jedoch in den ambulanten Arztpraxen während dieser Zeit geleistet wurde, werde weiterhin leider nicht gewürdigt, bedauerte er. Dabei sei gut belegt, mit welch hohem zusätzlichen Einsatz die Ärzte die Versorgung von Patienten während der Pandemie abgesichert haben und in dieser Zeit als eine der wichtigsten Säulen des Gesundheitssystems fungierten.

Zum Thema Krankenhausreform wies Dr. Windau darauf hin, dass der Bundesgesundheitsminister Anfang Mai eine Regierungskommission mit 15 Experten aus der medizinischen Versorgung, der Ökonomie und der Rechtswissenschaften aufgestellt hatte. Darunter befinde sich jedoch nur eine Vertreterin aus dem Osten, eine Professorin aus Greifswald, beklagte Dr. Windau. Damit würden seine Befürchtungen bestätigt, dass die Krankenhausstrukturen im Osten, die sich stark von den westlichen unterscheiden, nicht genügend berücksichtigt werden. Hier ergänzte Frau Keßler als Vertreterin des Sächsischen Sozialministeriums, dass dieses darum kämpfe, einen weiteren Vertreter aus dem Osten nachzunominieren.

Als weiteren Punkt, der bei Ärzten viel Kritik hervorrufe, nannte er die aktuellen Probleme mit der Telematikinfrastruktur (TI), u. a. mit den ablaufenden Zertifikaten der Konnektoren, der Datensicherheit und ungelösten Kostenfragen. Arztpraxen müssten beim – gesetzlich vorgeschriebenen – Erwerb neuer Konnektoren wieder einmal in Vorleistung gehen und blieben auf den Kosten teilweise sitzen. Und obwohl in einer ministeriellen Runde Anfang März bekräftigt wurde, dass alle Lösungen, die aufgrund der TI in die Arztpraxen kommen, erst geprüft und nur dann eingesetzt werden sollen, wenn sie ausgereift sind, sehe die Realität schon wieder anders aus. Obwohl die gematik dem Ministerium unterstellt ist, streiten sich gematik und BMG darüber, ob die Arztpraxen die Datenverantwortung für den Einsatz der Konnektoren übernehmen sollen, die jedoch praktisch Black Boxes sind. Hier wandte sich Dr. Windau mit der Bitte an das Sächsische Sozialministerium, sich um eine Klarstellung zu bemühen.

„Ich nehme es Lauterbach übel, dass er in seinem Haus nicht für Ordnung sorgt. Wir erwarten bessere Lösungen und einen anderen Stil in Führung und Kommunikation!“, so Dr. Windau.

Geschäftsbericht des Vorstandes

Der Vorstandsvorsitzende der KV Sachsen, Dr. Klaus Heckemann, ging zuerst auf die durch den Krieg in der Ukraine hervorgerufenen Probleme ein. Auf Grund der öffentlichen Bekenntnisse zu unbürokratischen Lösungen habe er angenommen, dass sowohl die ärztliche Versorgung der Geflüchteten als auch die Beschäftigung ukrainischer Mediziner in Deutschland in geregelten Bahnen verlaufe. Doch die Realität sei eine andere. Deshalb habe er sich in einem Schreiben an Sachsens Ministerpräsident Michael Kretschmer gewandt mit der Bitte, sich kurzfristig für die Erteilung der Behandlungsgenehmigung einzusetzen:

„Der nachfolgend geschilderte Exzess der deutschen Bürokratie ist für uns nicht hinnehmbar. Die geflüchteten ukrainischen Ärztinnen werden daran gehindert – bevor sie eine allgemeine Arbeitserlaubnis bekommen – sofort eine Genehmigung zu erhalten, um bei vorliegender ukrainischer Approbation ihre eigenen geflüchteten Landsleute in Deutschland behandeln zu dürfen. Man hat zunehmend das Gefühl, dass in Deutschland selbst dann, wenn der Krieg ins eigene Land getragen werden sollte, zumindest noch die bürokratischen Restriktionen überleben.“ (Auszug)

Telematikinfrastruktur

In Ergänzung zu den Ausführungen von Dr. Windau äußerte sich auch Dr. Heckemann zu den ungeklärten TI-Problemen und der unrühmlichen Rolle der gematik. Zum Konnektorentausch werde derzeit eine Erstattungspauschale mit dem GKV-Spitzenverband verhandelt, sagte er. Allerdings sei eine Lösung erst durch die Anrufung des Bundesschiedsamtes zu erwarten. Dieses hatte auch schon für die Kostenerstattung zu den störanfälligen Kartenlesegeräten angerufen werden müssen. „Mit der Fehlerbehebung und der Kostenerstattung sollten die Probleme gelöst sein. Den Ärger, den viele von uns damit hatten, wiegt es leider nicht auf“, so Dr. Heckemann. Mit dem Verweis auf die misslungene Einführung von eAU und eRezept und die dafür notwendigen umständlichen und papierverbrauchenden Ersatzverfahren (aufgrund der fehlenden technischen Voraussetzungen) bescheinigte er der gematik mangelndes Praxisverständnis.

Impfen

Danach lenkte er das Augenmerk des Plenums auf die hohe Leistungsfähigkeit der Arztpraxen im Zuge der Impfkampagne gegen Corona. Während die staatlich organisierten Impfzentren und mobilen Impfteams knapp 3,3 Millionen Dosen bis zum Ende der KW 19/2022 impften, verabreichten die Arztpraxen bis dahin über 3,6 Millionen Impfungen, jedoch in einem insgesamt kürzeren Zeitraum, da die Impfstoffe erst viel später für die Arztpraxen freigegeben wurden. Zudem hatten die Ärzte auch mit Lieferengpässen zu kämpfen, von denen die Impfzentren kaum betroffen waren. Einen Rekord mit rund 200.000 Impfungen stellten die Niedergelassenen in der 50. Kalenderwoche 2021 auf, im Vergleich zu ca. 65.000 Impfungen in den Impfzentren. Damit erwiesen sich die Arztpraxen als wichtigste Stütze der Impfkampagne.

Da die Impfzentren hohe Kosten verursachten, die letztlich durch alle Steuer- und Beitragszahler getragen werden, und medizinisches Personal aus der ärztlichen Versorgung abgezogen werde, plädiere er für weniger Impfzentren, sagte Dr. Heckemann.

Prüfung von Versorgungsaufträgen

Da die KV Sachsen zur Prüfung von Versorgungsaufträgen verpflichtet ist, erläuterte Dr. Heckemann das Vorgehen und die möglichen Konsequenzen. Im Jahr 2020 wurden 7.000 Ärzte und Psychotherapeuten geprüft.

Bei 157 Ärzten und Psychotherapeuten fand eine Tiefenprüfung statt. Darunter waren 39 Hausärzte, 35 Fachärzte und 83 Psychotherapeuten. Des Weiteren appellierte Dr. Heckemann an die Ärzteschaft, freie Termine zu melden und Termine über die Terminvermittlung anzunehmen.

Honorarentwicklung

Trotz der hohen Inflationsrate zeichne sich momentan noch nicht ab, dass Ärzte und Psychotherapeuten einen angemessenen Inflationsausgleich erhalten, sagte Dr. Heckemann. Hauptaufgabe sei es nun, bei der KBV einen Mechanismus zu erarbeiten, um dies zu erreichen. „Das ist für uns ein Riesenproblem“, sagte er, denn auch die Defizite der Vergangenheit müssten erst einmal aufgearbeitet werden.

Augenärztliche Versorgung in Südwestsachsen

Dr. Sylvia Krug, stellvertretende Vorstandsvorsitzende der KV Sachsen, erläuterte die künftigen Maßnahmen zur Sicherstellung der augenärztlichen Versorgung im Raum Südwestsachsen. Da die augenärztliche Versorgung unzureichend sei, habe man sich vom kleinräumigen Planungsansatz getrennt und den neuen Planungsbereich Südwestsachsen etabliert, der sich aus den bisherigen Bereichen Aue-Schwarzenberg, Chemnitzer Land, Plauen/Vogtlandkreis und Zwickau zusammensetzt. Angestrebt werde eine enge Verzahnung des ambulanten und stationären Sektors mit den Zielen, ärztliche Kapazitäten gemeinsam zu nutzen und regionale Weiterbildungsstätten auszubauen. Mit der Gründung eines Ambulanten Versorgungs- und Weiterbildungszentrums (AVWZ), an dem die Kliniken in Aue, Glauchau, Plauen und Zwickau beteiligt sind, konnten die Fallzahlen von 5.287 im 4. Quartal 2021 auf 7.739 im 1. Quartal 2022 gesteigert werden. Dies sei nicht nur positiv für die Patienten, sondern auch wichtig für die Gewinnung von ärztlichem Nachwuchs, welcher die Chance zur Weiterbildung im ländlichen Raum erhalte, betonte Dr. Krug.

Mit der „Mobilen Untersuchungs- und Behandlungseinheit“, kurz MUBE genannt, sei ein weiteres Projekt mit Perspektive zur besseren regionalen augenärztlichen Versorgung auf den Weg gebracht worden. Das Modellprojekt solle durch die Verbindung von moderner Diagnosetechnik mit ärztlicher Videosprechstunde eine hocheffiziente Nutzung der vorhandenen ärztlichen Ressourcen ermöglichen.

Bereitschaftsdienstreform

Der Vorsitzende der Bereitschaftsdienstkommission, Dipl.-Med. Peter Raue, stellte den Abschlussbericht zur Bereitschaftsdienstreform der KV Sachsen vor. „Mit der Bereitschaftsdienstreform haben wir ein Projekt auf die Beine gestellt, das sich sehen lassen kann“, sagte er. Die Dienstbelastung der Ärzte sei – abseits der Metropolen sogar deutlich – gesunken. Außerdem habe sich gezeigt, dass weniger Hausbesuche durch den ärztlichen Bereitschaftsdienst absolviert werden mussten. Diese sanken von knapp 120.000 vor der Reform 2017, auch aufgrund eines strukturierten Abfragesystems, auf rund 77.000 im Jahr 2021. Begleitend zum Umstrukturierungsprozess wurde die Ärztliche Vermittlungszentrale (ÄVZ) etabliert. Die Bereitschaftspraxen hätten sich als feste und zuverlässige zentrale Anlaufstellen für die Patienten in den Regionen erwiesen, sagte er weiter. Außerdem sei die Zusammenarbeit mit den im Krankenhaus tätigen Kollegen durch die räumliche Nähe zur jeweiligen Notaufnahme intensiviert worden. Nicht ganz erfüllt werden konnten bisher die Vorgaben zu den Öffnungszeiten der Bereitschaftspraxen, da sich die Personalgewinnung im Zusammenhang mit der Corona-Pandemie als schwierig erwiesen habe.

Bewährt habe sich der Garantiehonorar-Ansatz sowie die Honorarregelung zum Wegezeitenmodell, die insgesamt zu einer höheren Vergütung der Bereitschaftsdienste führten. Des Weiteren sei die Bereitschaftsdienstumlage zu nennen, mit der die Organisation bisher – gemeinsam mit den Kassenbeiträgen für den Fahrdienst – finanziert werden konnte. Die positive Entwicklung der Erträge wird sich in den nächsten Jahren durch Kostensteigerungen im Bereich der Fahrdienstanbieter und durch Lohnsteigerungen bei den MFA voraussichtlich negativ entwickeln und zu einem Mittelabfluss führen. Die vorgesehene Änderung der Bereitschaftsdienstordnung (BdO) gab Anlass zu einer Diskussion über den Status von Vertretungsärzten im Bereitschaftsdienst. Eingefügt werden sollte u. a. die Passage, dass ein Vertretungsarzt „die Voraussetzungen für die Eintragung ins Arztregister erfüllen, d. h. insbesondere einen erfolgreichen Abschluss einer Facharztweiterbildung vorweisen“ müsse. Diese Formulierung wurde von vielen Vertretern als nicht korrekt angesehen, da es hinsichtlich des Facharztstatus bei Vertretungsärzten offenbar eine Diskrepanz zwischen einem BSG-Urteil und den Weiterbildungsrichtlinien der Ärztekammer gibt, die einer Klärung bedarf. Da die Fragen dazu in der Vertreterversammlung nicht abschließend geklärt werden konnten, wurde dieser Tagesordnungspunkt mit mehrheitlichem Beschluss an den Vorstand zurückverwiesen und um Klärung mit der Sächsischen Landesärztekammer gebeten.

Änderung des HVM

Die Abstimmung zum Honorarverteilungsmaßstab war nur eine Formalie, da den Vertretern die „Beschlussfassung zur Weiterführung von Förderungen im Zusammenhang mit der Corona-Pandemie“ bereits im März im schriftlichen Umlaufverfahren vorgelegen hatte. Ergänzend dazu wurde das Benehmensverfahren mit den Krankenkassen eingeholt, die das flexible Vorgehen – insbesondere während des Pandemiegeschehens – begrüßten.

Zum Abschluss bedankte sich Dr. Windau bei allen Beteiligten für die konstruktive Mitwirkung an der Veranstaltung.