"Wenn wegen politischer Mutlosigkeit ein großer Teil des Apothekenumsatzes zu den Versandaoptheken wandern sollte, wird man mit viel Geld die Präsenzapotheken unterstützen müssen."

Liebe Kolleginnen und Kollegen,

die Botschaft ist einfach, allerdings nicht mehr ganz neu: „Ende gut, alles gut“.

Ich möchte die Gelegenheit nutzen, mal etwas Positives zu thematisieren, denn so viele andere Beispiele für einen Sieg der Vernunft fallen mir aus dem uns tangierenden Teil der Gesundheitspolitik nicht ein …
Vor etwa eineinhalb Jahren war meine Stimmung bzgl. dieses Themas weit unter dem Nullpunkt angekommen. Anlass war ein Gespräch mit Verantwortlichen der gematik. Damals wurde uns noch vermittelt, das eRezept werde kompromisslos zum vorgesehenen Termin eingeführt. Das eigentlich Absurde war die vorgesehene Alternative zur Nutzung einer App durch die Patienten.

Sie erinnern sich: In der Praxis sollten für diese Patienten zusätzlich zur Anlage des eRezeptes auf weißem Papier Ausdrucke gefertigt werden. Da man üblicherweise keinen freien Druckerschacht für das A5-Format hat (und A5-Papier auch deutlich teurer ist als A4 – außer man teilt die Blätter …), wäre das auf A4 geschehen. Pro Rezept waren ein großer QR-Code und zusätzlich für jedes Medikament ein weiterer QR-Code vorgesehen. Damit hätte sich zum Status quo ante also der Papierverbrauch vervierfacht und außerdem wären in den deutschen Arztpraxen immense zusätzliche Mengen an Drucker-Toner verbraucht worden – Klimaschutz geht aus meiner Sicht irgendwie anders!

Ich wollte das noch nicht einmal für eine Übergangszeit hinnehmen und fragte deshalb, warum man nicht den Termin für die Einführung einfach verschieben kann, bis die Lösung über das Stecken der eGK in der Apotheke funktioniert. Die Antwort auf diese Frage konnte ich im ersten Moment gar nicht verstehen – und dann nicht glauben. Es wurde als noch völlig unsicher dargestellt, ob das Verfahren mit der Karte in der Apotheke überhaupt kommen würde. Meine Nachfrage, woran es denn liegen sollte, dass das wohl technisch nicht so schwierige Verfahren noch zur Disposition steht, wurde folgendermaßen beantwortet: Da das Verfahren über das direkte Stecken der eGK in der Apotheke für den Apotheken-Versandhandel nicht funktioniere, befürchte man Klagen von dieser Seite wegen Wettbewerbsbenachteiligung!

Nun kann man doch auch ganz pragmatisch an die Sache herangehen. Für die Anwender der App ist durch das eRezept der Weg zur Versandapotheke kürzer als zuvor, für alle anderen ist – zumindest vorerst – die Präsenzapotheke der einzige Weg. So what?

Es ist nun wirklich nicht meine Aufgabe, mich für die Interessen der Apotheker einzusetzen, besonders, seitdem diese auf unserem angestammten Feld der Impfungen angefangen haben zu wildern – frei nach dem (heute auf manchem Gebiet verbreiteten) Motto: „Warum soll man das, was man tut, auch noch gelernt haben?“
Aber eigentlich – und deshalb ärgert mich ja diese Impfkonkurrenz so immens – sind die Apotheker unsere natürlichen Verbündeten und Partner im Interesse der Patienten. Wir brauchen uns gegenseitig und das Verhältnis vor Ort ist fast immer sehr gut – wenn nur die Funktionäre nicht wären. Ohne Präsenzapotheken wird es niemals funktionieren, wegen der Akutversorgung, des Notfalldienstes und nicht zuletzt der für Ärzte und Patienten wichtigen Expertise des Apothekers. Wenn wegen politischer Mutlosigkeit ein großer Teil des Apothekenumsatzes zu den Versandapotheken wandern sollte, wird man mit viel Geld die Präsenzapotheken unterstützen müssen. Das wäre dann wieder der klassische Fall: „Gewinne werden privatisiert, Verluste sozialisiert“.

Umso erfreuter war ich, als sich zeigte, dass bezüglich des eRezeptes nun doch die Vernunft gesiegt hatte, d. h. man sich über die obigen Bedenken hinweggesetzt hat. Die „Übergangslösung“ ist weg und nun gibt es nur noch eine kleine zeitliche Verzögerung, weil der Datenschützer primär Sorge hatte, dass ohne einen PIN-Code mit einer verlorenen Karte missbräuchlich Rezepte eingelöst werden könnten. Das wäre bei einem verlorenen Rezept allerdings auch so. Zum Glück hat man auch diese Bedenken überwunden (die Patienten hätten sicher in vielen Fällen ganz pragmatisch durch Vermerken der PIN auf der eGK reagiert). Auch für die einfachen technischen Fragen, wie der Apotheker sich autorisiert und wie zu verfahren ist, wenn nicht alle Medikamente sofort (oder gar nicht) lieferbar sind, gibt es jetzt Lösungen.

Insgesamt war ein immenser Widerstand aus dem KV-System erforderlich, um hier die Politik von einem Irrweg abzubringen. Ich hoffe, wir sind bei den neuen, schon avisierten Bedrohungen, vor allem bzgl. der geplanten Reform der Notfallversorgung, ebenso erfolgreich.

Ihr Klaus Heckemann