Die Arzneimittelinitiative Sachsen-Thüringen – ARMIN hat eine Vielzahl positiver Effekte auf die Versorgung.

Das zeigt die externe Evaluation durch das Universitätsklinikum Heidelberg (UKHD) in Kooperation mit dem aQua-Institut für angewandte Qualitätsförderung und Forschung im Gesundheitswesen GmbH.

Mit der Arzneimittelinitiative ARMIN sollte die Qualität und Wirtschaftlichkeit der Arzneimittelversorgung erhöht werden. Das elektronische Medikationsmanagement sollte vor allem älteren, multimorbiden Patienten, die dauerhaft fünf oder mehr Wirkstoffe einnahmen, verbessert werden. ARMIN war von 2014 bis 2022 ein Modellprojekt der AOK PLUS, der Kassenärztlichen Vereinigungen Sachsen und Thüringen sowie des Sächsischen und Thüringer Apothekerverbandes. Das Modellprojekt fußte auf dem ABDA-KBV-Modell, dem „Zukunftskonzept Arzneimittelversorgung“. Am Modellprojekt nahmen rund 10.000 Versicherte teil, dazu 900 Apothekerinnen und Apotheker (340 bis zum Modul 3) sowie 550 Ärztinnen und Ärzte (330 bis zum Modul 3).

Optimierte Patientenbetreuung

Eine Arzneimitteltherapie ist oftmals nicht frei von Risiken, aufgrund falscher Medikamenteneinnahme, Wechselwirkungen von Arzneien untereinander und unzulänglichen Kommunikationsmöglichkeiten zwischen den Heilberuflern. Genau hier setzte ARMIN an: Die Therapietreue der Patienten sollte durch ein zwischen Arzt und Apotheker abgestimmtes elektronisch unterstütztes Medikationsmanagement gefördert werden. Ein vollständiger, IT-gestützter und jederzeit verfügbarer Medikationsplan machte die Gesamtmedikation für die am Medikationsprozess Beteiligten transparent. Er war die Basis für das Medikationsmanagement. Damit konnte die Versorgung multimorbider Patienten durch bessere Betreuung und interprofessionelle Zusammenarbeit sowie medizinische und pharmazeutische Überprüfung optimiert werden.

Ergebnisse der Evaluation

Die Evaluation des Modellprojektes ARMIN durch das UKHD zeigte unter anderem, dass die Patienten, die am ARMIN-Medikationsmanagement teilnahmen, im Vergleich zu retrospektiv gematchten Kontrollpatienten ein um 16 Prozent verringertes relatives Risiko hatten zu versterben.

Zudem konnte gezeigt werden, dass drei Viertel der Patienten die Überprüfung des Medikationsplans durch den Hausarzt bzw. den Apotheker befürworteten. Das spricht für die klar strukturierte Aufgabenverteilung von Arzt und Apotheker im Projekt. Beide Berufsgruppen gaben in den Befragungen an, Aufgaben im Medikationsmanagement sowohl selbst zu übernehmen als auch von der jeweilig anderen Berufsgruppe übernehmen zu lassen. Zudem fanden es neun von zehn Ärzten gut, dass die Apothekerinnen und Apotheker die Gesamtmedikation der Patientinnen und Patienten erfassten.

Forderungen der ARMIN-Projektpartner

Die positiven Effekte von ARMIN müssen über das Ende des Projektes hinaus erhalten und weiterentwickelt werden. Darum fordern die ARMIN-Projektpartner die Politik auf, die nötigen rechtlichen Grundlagen zu schaffen.

Der Medikationsplan muss das zentrale Element für den Patienten sein. Er muss vollständig und aktuell sein und muss dem Patienten entsprechend der individuellen Fähigkeiten und Kenntnisse erläutert werden. Dabei muss für alle Beteiligten Transparenz zu Inhalt, Ausgestaltung und Umsetzung des Medikationsplans und der damit verbundenen Leistungen geschaffen werden. Die Verantwortlichkeiten von Ärzten und Apothekern bei der Medikationsanalyse und dem Medikationsmanagement müssen, wie in ARMIN gezeigt, definiert und aufeinander abgestimmt sein. Zukünftig wäre ein Rechtsrahmen in der Regelversorgung, der diese interprofessionelle Zusammenarbeit von Arzt und Apotheker ermöglicht und für alle Beteiligten fair vergütet, absolut wünschenswert.

Eine funktionierende IT-Unterstützung zum elektronischen Datenaustausch mit Vereinheitlichung der in der Versorgung eingesetzten Medikationspläne und Software ist unabdingbar. Parallele Lösungen müssen unbedingt vermieden werden, um Fehler und unnötigen Mehraufwand für alle Beteiligten zu vermeiden.

Die konzeptionelle Vorarbeit für eine Regelversorgung wurde im Projekt erarbeitet. Sie steht als Basis für alle Anpassungen und Erweiterungen bestehender Ansätze, wie zum bundeseinheitlichen Medikationsplan, zur Verfügung. Dabei gilt es allerdings sowohl technische Hürden als auch normative Beschränkungen des Gesetzgebers zu beseitigen.

Ausgewählte Statements der Projektpartner

Prof. Dr. sc. hum. Hanna Seidling
Leiterin der Kooperationseinheit Klinische Pharmazie am Universitätsklinikum Heidelberg

„Zusammenfassend haben wir in der Evaluation gesehen, dass das Mortalitätsrisiko bei den Patientinnen und Patienten, die in das interprofessionelle Medikationsmanagement eingeschrieben waren, relativ um 16 Prozent geringer war als in einer retrospektiv über Propensity Scores gematchten Kontrollgruppe. Das Risiko für Krankenhauseinweisungen unterschied sich nicht. Auf Grund des Studiendesigns können hieraus keine kausalen oder mechanistischen Schlüsse gezogen werden. Interessant ist, dass sich sowohl einige arzneimittelbezogenen Endpunkte punktuell verbessert haben und insgesamt in der ARMIN-Gruppe eine höhere Inanspruchnahme von Gesundheitsleistungen festgestellt werden konnte.“

Gabriele Regina Overwiening
Präsidentin der ABDA – Bundesvereinigung Deutscher Apothekerverbände e. V.

„ARMIN hat eindeutig gezeigt, dass die gemeinsame Betreuung durch Ärzte und Apotheker den Patienten viele Vorteile bringt. Das müssen wir in die Regelversorgung bringen. Wir haben aus ARMIN gelernt, und das bestätigen auch andere Studien, dass das alleinige Ausdrucken eines Medikationsplans nicht ausreicht, um einen Patientennutzen zu generieren. Wir fordern deshalb: Dieser Medikationsplan muss den Patienten entsprechend der individuellen Kenntnisse und Fähigkeiten mündlich erläutert werden. Einer der Schwerpunkte soll dabei die Einnahmetreue sein. Außerdem muss dieser Plan gemeinsam von Arzt und Apotheker erstellt, geprüft und gepflegt werden, denn nur ein aktueller, vollständiger und korrekter Medikationsplan kann den Patienten nutzen.“

Dr. med. Annette Rommel
1. Vorsitzende des Vorstandes der KV Thüringen

„Für den sparsamen Einsatz der finanziellen Ressourcen ist auch die Nutzung der Rabattverträge der Kostenträger bedeutsam. Bei üblichen Arzneimittel-Verordnungen führt das oft dazu, dass der Patient in der Apotheke ein anderes Präparat erhält, als auf dem Rezept steht. Da unsere Patienten meist auf den Präparatenamen fokussiert sind, führt dies zu Verwirrung und im schlimmsten Fall zu Misstrauen gegenüber dem unbekannten Produkt. Wenn möglich wurden im Rahmen von ARMIN die Rezepte als Wirkstoffverordnung ausgestellt und der Patient damit weg vom Medikamentennamen bzw. Hersteller und stärker an den Wirkstoff orientiert.“

Rainer Striebel
Vorstandsvorsitzender der AOK PLUS – Die Gesundheitskasse für Sachsen und Thüringen

„ARMIN hat auch gezeigt, dass wir einen Weg finden müssen, Projekte wie dieses zum Nutzen der Patienten in den Praxisalltag zu integrieren, ohne dass die ohnehin knappe Zeit für das Gespräch im Arztzimmer weiter eingeschränkt wird.

Wir alle hier auf dem Podium sind bereit, uns aktiv in die Gestaltung der technischen Strukturen des elektronischen Medikationsplans einzubringen, der derzeit von der KBV-Tochter MIO42 entwickelt wird. Aufgrund der positiven Erfahrungen erwarten wir, dass sich einiges von ARMIN in der bundesweiten Lösung wiederfindet. Zumal die GKV aus den Erfahrungen von ARMIN bereits ein medizinisches Informationsobjekt (MIO) für einen serverbasierten e-Medikationsplan vorgelegt hat, welches auch in rund einem Drittel aller PVS-Installationen in Deutschland verfügbar ist.“