Eine Analyse am Beispiel der sächsischen HNO-Ärzte

Bereits Ende vergangenen Jahres veröffentlichte die Techniker Krankenkasse Zahlen zum deutlichen Rückgang der Antibiotika-Verordnungen im Frühjahr 2020 während des Covid-19-bedingten Lockdowns. Es wurden 43 Prozent weniger Tagesdosen je versichertem Erwerbstätigen verordnet. Die Betrachtung allein der verordneten Antibiotika-Tagesdosen sagt jedoch wenig über das tatsächliche Verordnungsgeschehen in den Praxen während der Corona-Pandemie aus. Dieses soll im Folgenden am Beispiel der sächsischen HNO-Ärzte genauer analysiert werden.

Im Jahr 2019 wurden in sächsischen HNO-Praxen am häufigsten Mittel zur Behandlung von Allergien verordnet, namentlich Therapieallergene (entsprach ca. 30 Prozent aller durch HNO-Ärzte im Jahr 2019 verordneten Tagesdosen (DDD)) sowie Rhinologika (Corticoide sowie Sympathomimetika, zusammen ebenfalls ca. 30 Prozent der DDD). Verordnungen des Antivertiginosums Betahistin umfassten rund 10 Prozent der DDD. Darüber hinaus waren etwa 15 Prozent der verordneten Packungen Antibiotika. Aus diesem Verordnungsspektrum sollen die Antibiotika-Verordnungen sowie Verordnungen von Therapieallergenen und Corticoiden in nasalen Zubereitungen genauer betrachtet werden.

Entwicklung der Fallzahlen

Es wurde die Situation in 150 sächsischen HNO-Praxen analysiert, welche in allen Quartalen der Jahre 2018 bis 2020 tätig waren. Betrachtet man die Fallzahlen dieser zwölf Quartale, wurden sowohl 2018 als auch 2019 in den ersten beiden Quartalen überdurchschnittlich viele Patienten behandelt (5,1 bis 6,7 Prozent über mittlerer Fallzahl), während im dritten und vierten Quartal etwas weniger Patienten behandelt wurden. Für das Corona-Jahr 2020 ergibt sich das folgende Bild: während die Fallzahlen im ersten Quartal noch über dem Durchschnitt lagen, war im zweiten Quartal ein starker Einbruch zu verzeichnen (– 10,3 Prozent). Im dritten Quartal 2020 lagen die Fallzahlen 3,4 Prozent unter dem Durchschnitt und damit in der Größenordnung des dritten Quartals 2018. Im vierten Quartal 2020 wurden wieder weniger Patienten behandelt (– 7,7 Prozent). Zwischen den einzelnen Praxen gab es deutliche Unterschiede. So war bei einigen Praxen 2020 kein Rückgang der Fallzahlen zu beobachten. Dennoch war eine Verschiebung zu niedrigeren Fallzahlen im zweiten bis vierten Quartal 2020 für die meisten Praxen erkennbar.

Die für die sächsischen HNO-Ärzte beschriebene Situation passt zu den Zahlen aus dem Zi-Trendreport zur Leistungsinanspruchnahme während der Covid-Krise. Dieser beschreibt einen starken Rückgang der Inanspruchnahme vertragsärztlicher und vertragspsychotherapeutischer Leistungen mit Beginn der Covid-19-Krise Anfang März 2020, die sich erst ab Ende Mai wieder normalisierte. Im Juni 2020 kam es zu Nachholeffekten, die sich im dritten Quartal 2020 jedoch nicht fortsetzten. Mit dem zweiten Lockdown ab November 2020 haben die Fallzahlen erneut nachgegeben.

Deutlicher Rückgang der Antibiotika-Verordnungen

Bei den Antibiotika bestand bereits in den letzten Jahren die Tendenz zu weniger Verordnungen: während 2018 in sächsischen HNO-Praxen noch 56,8 Packungen je 1.000 Patienten verordnet wurden, gingen die Antibiotika-Verordnungen 2019 auf 50,9 Packungen je 1.000 Patienten zurück. 2020 war ein weiterer deutlicher Rückgang auf 36,8 Packungen je 1.000 Patienten zu verzeichnen

Abbildung 1 - Antibiotika-Verordnungen in sächsischen HNO-Praxen bezogen auf die Fallzahlen im Verordnungsquartal

Der Effekt war bei allen Praxen sichtbar und besonders stark im zweiten und vierten Quartal ausgeprägt. Hier gingen die Antibiotika-Verordnungen im Vergleich zu 2018 im Schnitt um ca. 45 Prozent zurück, bei einzelnen Praxen sogar um mehr als 80 Prozent

Abbildung 2 im Download - Muster des Rückgangs der Antibiotika-Verordnungen in sächsischen HNO-Praxen im Vergleich zu 2018

Hinsichtlich der Wirkstoffauswahl ergaben sich im Vergleich zu 2019 keine wesentlichen Unterschiede
> Abbildung 3 im Download.

Weiterhin verordneten HNO-Ärzte vorrangig Cephalosporine, deren Anteil jedoch zugunsten der Penicilline leicht reduziert wurde. Der Anteil der Fluorchinolone ging von 3,4 Prozent auf 3,0 Prozent zurück, was aufgrund des Nebenwirkungspotentials begrüßenswert ist.

Abbildung 3 - Anteil einzelner Wirkstoffgruppen an allen Antibiotika-Verordnungen der HNO-Ärzte 2020

Verordnungen bei allergischen Erkrankungen

Betrachtet man die Verordnungen bei allergischen Erkrankungen, ergibt sich ein völlig anderes Bild. Bei nasalen Corticoiden ist 2020 dasselbe saisonale Verordnungsmuster wie in den Vorjahren mit den höchsten Verordnungsmengen im Frühjahr zu beobachten > Abbildung 4a im Download.

Ein Rückgang der pro Patient verordneten Tagesdosen ist nicht zu verzeichnen, vielmehr liegen die Verordnungsmengen ab dem zweiten Quartal 2020 leicht über dem Niveau der Vorjahre. Auch bei Verordnungen von Therapieallergenen war 2020 kein Rückgang zu beobachten. Die pro Patient verordneten Tagesdosen lagen in allen Quartalen höher als in den Vorjahren > Abbildung 4b im Download.

Insbesondere im zweiten Quartal 2020 wurden deutlich mehr Therapieallergene verordnet. Es kam im Unterschied zu den Vorjahren nicht zu einem saisonalen Rückgang.

Abbildung 4 - a. Nasale Corticoid- und b. Therapieallergene-Verordnungen in sächsischen HNO-Praxen bezogen auf die Fallzahlen im Verordnungsquartal

Fazit

Anhand der Entwicklung typischer Verordnungen im Pandemiejahr 2020 ist erkennbar, dass die Patienten aufgrund ihrer chronischen Erkrankungen, insbesondere Allergien, weiterhin beim HNO-Arzt in Behandlung waren und ihre medikamentöse Therapie erhalten haben. Hingegen gingen im Verlauf der Corona-Pandemie Antibiotika-Verordnungen zusätzlich zum in den vergangenen Jahren bereits zu beobachtenden Rückgang extrem, teilweise auf nur noch die Hälfte, zurück. Patienten mit bakteriellen Infektionen haben offenbar deutlich seltener eine HNO-Praxis aufgesucht.

Informationen zu Ihren Antibiotika-Verordnungen im Jahr 2020 finden Sie im Antibiotika-Verordnungsreport. Haben Sie Fragen zu diesem Report, können Sie sich gern an die Mitarbeiter/-innen der Abteilung Verordnungs- und Prüfwesen Ihrer Bezirksgeschäftsstelle wenden.

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