Kritische Änderungen in der ambulanten Notfallversorgung

Mit dem Pflegeunterstützungs- und -entlastungsgesetz (PUEG) wurden ab dem 1. Juli 2023 Beitragserhöhungen in der Gesetzlichen Pflegeversicherung sowie Leistungsverbesserungen für Pflegebedürftige und ihre Angehörigen auf den Weg gebracht.

In einer Nacht- und Nebelaktion nahm der Gesetzgeber mit dem PUEG aber auch wesentlichen Einfluss auf die künftige Notfallversorgung, was von den Kassenärztlichen Vereinigungen heftig kritisiert wurde.

Nach den beschlossenen Änderungen in § 120 Abs. 3b SGB V sollen die Notaufnahmen im Krankenhaus die Patienten künftig nicht mehr ohne eine vorherige Untersuchung an die ambulanten Arztpraxen und MVZ verweisen dürfen. Damit kommt nur noch eine Verweisung an die Notdienstpraxen (Bereitschaftspraxen) in Betracht. Diese Änderungen wurden durch den Gesundheitsausschuss zwei Tage vor der abschließenden Lesung in das themenfremde Gesetzgebungsverfahren eingebracht. In der Begründung hieß es, dass „eine Verweisung an die an der vertragsärztlichen Versorgung teilnehmenden Ärztinnen und Ärzte sowie medizinische Versorgungszentren gemäß § 95 Abs. 1 nicht mehr sachgerecht“ sei. Damit laufen diese Änderungen aber dem Ziel der Notdienstreform zuwider, die Notfallaufnahmen an den Krankenhäusern dringend zu entlasten und den Patienten in den für ihn aufgrund seines Gesundheitszustandes passenden Versorgungsbereich zu steuern.

Im Ergebnis musste auch die für Ende Juni 2023 angekündigte Ersteinschätzungsrichtlinie des Gemeinsamen Bundesausschusses (G-BA) zur künftigen Steuerung der Notfallversorgung noch einmal überarbeitet werden. Nach dem am 6. Juli 2023 veröffentlichten Entwurf wird in der Notaufnahme zunächst mittels Triagesystem festgestellt, ob ein sofortiger oder sehr dringender Behandlungsbedarf im Krankenhaus besteht („ambulanter Notfall“).

Ist dies nicht der Fall, wird in einem sogenannten „erweiterten Ersteinschätzungsverfahren“ festgestellt, ob die Behandlung innerhalb der nächsten 24 Stunden beginnen sollte (= Dringlichkeitsgruppe 1). Dies umfasst auch die Entscheidung für eine ambulante Behandlung im Krankenhaus oder in einer Notdienstpraxis (Bereitschaftsdienst der KVen), wobei auch die Weiterleitung in ein an das Krankenhaus angeschlossenes MVZ genannt wird. Ist eine solche Weiterleitung nicht möglich, können auch diese Patienten in der Notaufnahme behandelt werden. Ist keine Behandlung innerhalb von 24 Stunden notwendig (= Dringlichkeitsgruppe 2), so erhält der Patient von der Notaufnahme einen Vermittlungscode, mit dem er über die Terminservicestelle der KVen (116 117) einen Termin buchen kann. Die Feststellung der Dringlichkeitsstufen (Gruppe 1 oder Gruppe 2) soll durch ein standardisiertes Ersteinschätzungsinstrument erfolgen. Praktikabel wäre das gerade in der Evaluation befindliche Medizinprodukt „SmED“ („Strukturierte medizinische Ersteinschätzung in Deutschland“, bereitgestellt durch das Zentralinstitut für die kassenärztliche Versorgung).

Fazit

Die Ersteinschätzungsrichtlinie tritt in Kraft, wenn sie durch das Bundesgesundheitsministerium nicht beanstandet wird. Für diesen Fall bleibt die konkrete Umsetzung dieser Vorgaben abzuwarten. Beispielsweise sieht das PUEG in § 120 Abs. 3b SGB V die Vergütung einer ambulanten Behandlung im Krankenhaus nur bei sofortigem Behandlungsbedarf sowie geschlossener Bereitschaftspraxis vor. Von MVZ ist in dieser Regelung keine Rede. Wir gehen derzeit davon aus, dass sich die Anzahl der aus der Notaufnahme an die Arztpraxen und auch an die Bereitschaftspraxen vermittelten Patienten nicht wesentlich verändern wird, da die meisten MVZ geschlossen haben, wenn die Bereitschaftspraxen geöffnet sind.

Im Ergebnis erachtet die KV Sachsen die vom G-BA beschlossene Richtlinie als ersten Schritt zu einer strukturieren Patientensteuerung – der jedoch losgelöst von der Notdienstreform, deren Start die Bundesregierung im ersten Halbjahr 2024 plant, nicht effektiv erscheint.