Grundlegende Kernforderungen, auch der sächsischen Ärzteschaft

Liebe Kolleginnen und Kollegen,

Sie alle wissen es natürlich ganz genau: Geld ist nicht alles. Die Gesundheit steht über allem.

Auch in unserer sächsischen Ärzteschaft müssen immer wieder nicht wenige die teilweise schmerzliche Erfahrung machen, wenn es anders kommt. Aber bei der Gesundheit, hier der Gesunderhaltung der uns anvertrauten Patientinnen und Patienten, sind wir eben auch beim Geld als häufig mitentscheidendem Faktor.

Die finanzielle Sicherstellung der vertragsärztlichen Versorgung in Deutschland durch die Politik und die Krankenkassen ist nach dem Ergebnis der Schlichtung Anfang September nicht mehr gewährleistet. Aufgrund der Ausnahmesituation in den letzten Jahren, insbesondere durch Corona und durch eine katastrophale Politik unter der jetzigen Ampel-Regierung – die eine extreme Schwächung der wirtschaftlichen Lage in Deutschland zur Folge hat, inklusive einer hohen Inflation und Kostensteigerung in allen Bereichen – ist eine dramatische Situation entstanden. Deshalb bestand von Seiten der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV) die Forderung einer Steigerung des Orientierungswertes von 10,2 Prozent, die Kassen entgegneten ernsthaft mit einem Angebot von 2,1 Prozent! Erschreckenderweise endete die sogenannte Schlichtung mit einer Erhöhung von gerade einmal 3,85 Prozent.

Wurden in den Verhandlungen von Seiten der Krankenkassen drohende Verluste von 17 Milliarden Euro kolportiert, so stellte sich am Ende heraus, dass ganz im Gegenteil ein Überschuss von 4,3 Milliarden Euro im Jahr 2022 erreicht wurde. Schon im Sommer 2021 hatten die Kassen kurz vor den Finanzierungsverhandlungen über zu hohe Verluste geklagt – die dann am Jahresende doch noch in einen Überschuss mündeten. (Durch die Überschüsse haben Krankenkassen und Gesundheitsfonds hohe Rücklagen. Zum Jahresende 2022 verfügten die Krankenkassen über 10,4 Milliarden Euro und der Gesundheitsfonds über 12 Milliarden Euro an Reserven, also insgesamt 22,4 Milliarden Euro.) Selbst der Vorstandsvorsitzende des Zentralinstitutes für die Kassenärztliche Versorgung (Zi), Dominik von Stillfried, sprach daraufhin von einem Bärendienst, welchen die gesetzlichen Krankenkassen den Patientinnen und Patienten erweisen. Leider greift, wie nicht anders zu erwarten, auch die Politik nicht ein, da sie sich seit Jahren grundsätzlich nicht für den vertragsärztlichen und -zahnärztlichen Bereich einbringt.

Folgerichtig stehen nun wieder zahlreiche Protestmaßnahmen der ambulanten Ärzteschaft auf dem Plan. Aber wie wir aus der Erfahrung der letzten Jahre wissen, fällt es jedem von uns schwer, die Praxen zu schließen: aus ethischen Gründen, aus Verbundenheit mit den eigenen Patienten und weil es ja immer irgendwie weitergegangen ist, wenn auch meist auf dem Rücken der Praxisinhaber und Angestellten. Rücksichtslos haben die Politikerinnen und Politiker immer wieder damit gerechnet und dies ausgenutzt. Aber dieses Mal sollten wir handeln! Es geht nicht mehr nur um den Moment, sondern die gesamte Zukunft in unserem Land.

Andreas Gassen, der KBV-Chef, fasste es letztens zusammen: „Die haus- und fachärztliche und psychotherapeutische Versorgung, die von allen wertgeschätzt wird, wird es in der jetzigen Form nicht mehr lange geben, wenn wir Herrn Lauterbach nicht stoppen.“

Das sind deshalb die grundlegenden Kernforderungen, auch der sächsischen Ärzteschaft:

  • Wir fordern einen vollständigen finanziellen Ausgleich der inflationsbedingten Teuerung, sowohl bei den Praxis-, Energie- und Mietkosten, als auch bei den deutlich gestiegenen Gehältern der Arzthelferinnen und -helfer, wie auch bei allen anderen Kosten. Hierzu zählen insbesondere auch die Berücksichtigung der massiv teureren modernen Therapie- und Diagnostikoptionen inklusive der dazugehörigen Gerätschaften. Vor allem ist die in den letzten Jahren von allen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern in den Praxen geleistete Mehrarbeit zu berücksichtigen, für die es zu keiner Zeit einen adäquaten Ausgleich gegeben hat, gerade auch nicht während der Pandemie.

  • Wir fordern den Abbau der Bürokratie in den Arztpraxen, da ein großer Teil der Zeit dafür und nicht für die eigentliche Behandlung der Patienten aufgewandt wird.

  • Wir fordern die Überarbeitung des Jahrzehnte alten EBM und der noch älteren GOÄ mit Aufnahme der teilweise schon seit vielen Jahren als Standard zu betrachtenden, etablierten, aber nie in das Verzeichnis aufgenommenen neuen Behandlungsmethoden.

  • Wir fordern eine Entbudgetierung ärztlicher Leistungen, denn grundsätzlich sollte jede ärztliche Leistung, die ordnungsgemäß erbracht wird, auch vollständig bezahlt werden. Genau genommen geben wir seit ca. 30 Jahren einen Dauerrabatt auf alle ärztlichen Leistungen, das gibt es in keiner anderen Branche.

  • Wir fordern eine funktionierende Telematikinfrastruktur. Nach 15 Jahren Vorarbeit sollte es auch in Deutschland möglich sein, den Ärztinnen und Ärzten in der Niederlassung eine funktionierende Informationstechnologie anzubieten, ohne dass alle paar Monate oder Jahre wieder ein kompletter Austausch der vorhandenen Hard- oder Software notwendig wird. Niemand ist mehr bereit, sich auf diesem Experimentierfeld einzubringen, solange nicht eine einsatzbereite und nicht vollkommen überteuerte Technik ausgeliefert wird.

Wir werden vor dem Hintergrund der eintretenden demographischen Entwicklung in Deutschland dringlichst Änderungen an unserem Gesundheitssystem vornehmen müssen. Die genannten Forderungen werden nur der Anfang sein können. Es ist nicht nur so, dass in den nächsten zehn Jahren ein Großteil der Ärzte, insbesondere aus der sogenannten Boomergeneration, in den Ruhestand gehen wird. Nein, gerade aus diesem Alterssegment wird zusätzlich eine übergroße Menge neuer Patienten mit Alterserkrankungen in das System hineinkommen. Grundsätzlich wird letzteres teilweise viel zu wenig beachtet.

Ohne eine deutlich bessere, finanzielle Ausstattung des Systems, auch mit einem höheren Anteil der Gesundheitskosten am Bruttoinlandsprodukt, werden wir unser überdurchschnittlich leistungsfähiges System nicht am Laufen halten können. Auch ist die sich zunehmend ändernde Stellung der Arbeit in künftigen Lebenskonzepten zu sehen.

Auch über die Wiedereinführung der Notdienstgebühr und eine gewisse zusätzliche Eigenbeteiligung bei Bagatellerkrankungen muss gesprochen werden. Bisher ist aber, wie oben dargestellt, offenbar noch immer genügend Geld vorhanden.
Ein wie immer arbeitsreicher, aber diesmal auch berufspolitisch wichtiger Herbst steht Ihnen bevor. Möge es endlich gelingen, in der nächsten Zeit die Weichen für das weitere Funktionieren nicht nur des stationären, sondern auch des ambulanten Gesundheitswesens in Deutschland zu stellen.

In der Hoffnung, dass Ihnen und Ihren Familien dazu beste Gesundheit beschieden sein wird, verbleibe ich mit allen guten Wünschen und herzlichen Grüßen

 

Ihr Frank Rohrwacher