Thema der Identität im Mittelpunkt

Der 20. Sächsische Psychotherapeutentag fand am 1. September 2023 in der Sächsischen Landesärztekammer unter dem Titel: „Identitätsentwicklung zwischen Ent- und Begrenzung“ statt. Circa 150 angemeldete Gäste diskutierten mit den Referentinnen und Podiumsgästen.

Der diesjährige Psychotherapeutentag stellte das Thema der Identität in den Mittelpunkt des Nachmittags. Zu Beginn wurde das Grußwort von Uta Leupolt aus dem Referat „Antidiskriminierung, LSBTIQ, Gewaltschutz für Frauen, Landeskoordinierungsstelle Istanbul-Konvention“ des Sächsischen Staatsministeriums der Justiz und für Demokratie, Europa und Gleichstellung, die jedoch aufgrund einer akuten Erkrankung nicht selbst teilnehmen konnte, verlesen.

In einer liberalisierten und hoch individualisierten westlichen Gesellschaft gehört die Identitätsbildung zu einer komplexen und zunehmend individualisierten Entwicklungsaufgabe. Dabei haben sich die Gewichte von der Einschränkung bzw. dem Festgelegtsein (Verbote, binäres Geschlechtsverständnis, der Körper als Gegebenes) hin zur Ambiguität, Flexibilität und Machbarkeit verschoben.

Anstatt mit Grenzen zurechtzukommen und Ambivalenzen zu ertragen, scheint es eine Forderung nach Entgrenzung der Möglichkeiten zu geben, verbunden mit einer zunehmenden Idealisierung des eigenen Selbst im Rahmen von Wunschvorstellungen. Wie verändert sich Identitätsbildung und die psychische Entwicklung insgesamt, wenn die Psyche sich nicht mehr im Konflikt mit angstvoll erlebten Grenzen entwickeln muss, sondern mit der Anforderung: Genieße! Sei Du selbst! Liebe Dich selbst! Tue was Du willst, weil alles möglich ist! Welcher Wandel in der Matrix unserer Identitätsentwicklung ist aus Sicht der Psychologie auszumachen und wie wirkt sich das auf Identitätsbildungsprozesse aus?

Heiß diskutiert wurde die Frage, welche Aufgaben als Psychotherapeutinnen und Psychotherapeuten in diesem ZusammenhanDer 20. Sächsische Psychotherapeutentag fand am 1. September 2023 in der Sächsischen Landesärztekammer unter dem Titel: „Identitätsentwicklung zwischen Ent- und Begrenzung“ statt. Circa 150 angemeldete Gäste diskutierten mit den Referentinnen und Podiumsgästen.g gesehen werden müssen. Für die Hauptvorträge konnten die Veranstalter, die Landesverbände des Berufsverbandes der Vertragspsychotherapeuten (bvvp) und der Deutschen Psychotherapeutenvereinigung (DPtV) zwei ausgewiesene Expertinnen auf diesem Gebiet gewinnen: Prof. Dr. Inge Seiffge-Krenke (Mainz), die auf der Grundlage ihrer entwicklungspsychologischen Forschungen den Blick auf die veränderte Identitätsentwicklung der Jugendlichen und jungen Erwachsenen richtete und therapeutische Überlegungen ableitete. Außerdem Prof. Dr. Ada Borkenhagen (Magdeburg), die über die Folgen der „Machbarkeit des Körpers“ im Rahmen der Schönheitsmedizin auf die Entwicklung unseres Selbst- und des Fremdbildes referierte.

In der Podiumsdiskussion war Gabriel Gottschald, selbst Transmann, und Referent für Gesundheitspolitik und Systemische Therapie bei der Systemischen Gesellschaft (SG e. V.) zugegen. Er beschrieb eindrücklich die Schwierigkeiten der Identitätsbildung bei Menschen, die sich in ihrer Körperlichkeit nicht ihrem empfundenen Geschlecht zuordnen können und plädierte für einen weitestgehend offenen Umgang mit geschlechtsangleichenden Maßnahmen. Demgegenüber steht das Erfordernis, eine entwicklungspsychologisch notwendige und gesunde „Identitätskrise“ bei Heranwachsenden mit hoher Sorgfalt zu begleiten. Eine „vorschnelle“ oder übereilte „Begutachtung“ entspricht nicht unserer berufsethischen Sorgfaltspflicht! Das Selbstbestimmungsgesetz, welches am 23. August 2023 im Bundestag in erster Lesung eingebracht worden war, wurde ebenfalls diskutiert.

Konstatieren lässt sich eine sehr bereichernde Veranstaltung, mit großen Fragen und heißen Eisen, die mit viel Sachverstand auf hohem intellektuellen Niveau diskutiert wurden!