Dr. med. Klaus Heckemann im Gespräch zum seit Januar 2024 verpflichtenden eRezept

Das seit Januar 2024 verpflichtende eRezept wirft weiterhin hier und da Fragen auf. Dr. med. Klaus Heckemann, Vorstandsvorsitzender der KV Sachsen und Facharzt für Allgemeinmedizin mit eigener Praxis, im Gespräch über seine eigenen Erfahrungen, Sonderfälle und darüber, was zu tun ist, wenn bei der Verordnung in der Praxis oder der Abgabe in der Apotheke Probleme auftreten.

Ärztinnen und Ärzte müssen seit diesem Jahr für verschreibungspflichtige Arzneimittel, die von der gesetzlichen Krankenversicherung bezahlt werden, ein eRezept ausstellen. Welche Erfahrungen haben Sie mit dem eRezept in der Praxis gemacht?

Dr. Klaus Heckemann: Wenn es nicht gerade einen zentralen Absturz gibt, läuft die Verordnung von eRezepten in unserer Praxis problemlos. Im Notfall muss dann eben auf einem rosa Papierrezept verordnet werden.

Nutzen Sie eher die Komfort- oder die Stapelsignatur?

In unserer Praxis brauchen wir die Stapelsignatur, außer für die eAU, nicht. Die Komfortsignatur dauert wenige Sekunden und erleichtert es dem Patienten, eine Verordnung zeitnah einzulösen. Wir haben je Arzt zwei Wartezimmerlisten, eine für die Patienten im Wartezimmer und eine für die Patienten, denen ein Wiederholungsrezept am Praxistresen ausgestellt wurde. Wir signieren die Wiederholungsrezepte während des Patientenwechsels im Behandlungszimmer. Grundsätzlich muss jede Praxis ihre eigenen Abläufe finden. Es ist nur wichtig, dass man dem Patienten sagt, wann er sein eRezept in der Apotheke einlösen kann.

Nun wird das eRezept ja in den meisten Fällen mit der elektronischen Gesundheitskarte in der Apotheke eingelesen. Viele Patienten hätten gern noch einen zusätzlichen Papierausdruck. Das führt zu Diskussionen in den Arztpraxen. Wie sehen Sie das?

Im § 360 des fünften Sozialgesetzbuches ist geregelt, dass Versicherte wählen können, ob ihnen das eRezept barrierefrei entweder durch einen Ausdruck in Papierform oder elektronisch bereitgestellt werden soll. Ich halte das für Irrsinn, zumal der Abruf über die elektronische Gesundheitskarte in den allermeisten Fällen gut funktioniert und man mit dem eRezept ja eigentlich Ressourcen schonen wollte. Verwehren kann man sich als Arzt unter den momentanen rechtlichen Gegebenheiten allerdings nicht.

Die Versorgung von Heimpatienten mit eRezepten ist ja aktuell nur ungenügend geregelt. Wie sieht Ihrer Meinung nach der ideale Weg für eine Arzneimittelverordnung für Heimpatienten aus?

Idealerweise gibt es einen Vertrag zwischen Patient und Pflegeheim und einen weiteren zwischen Pflegeheim und einer pflegeheimbeliefernden Apotheke. Der Arzt muss schriftlich darüber in Kenntnis gesetzt werden, welche Apotheke welche Patienten versorgt.

Denkbar wäre zum Beispiel, von jedem Pflegeheim, das der Arzt betreut, die beliefernde Apotheke und eine Liste aller Heimbewohner abzufordern und die jeweilige Konstellation in der Patientenakte zu vermerken. Anschließend kann das eRezept via KIM an die benannte Apotheke verschickt werden. Das geht aber wirklich nur für Heimpatienten und auch nur unter den zuvor genannten Bedingungen.

Gibt es auch eine unkomplizierte Lösung?

Da es keine bundeseinheitliche Lösung gibt, nutzen wir für die Heimpatienten vorerst wie bisher ein rosa Papierrezept.

Es muss also nicht immer ein eRezept ausgestellt werden?

Ein rosa Rezept kann immer ausgestellt werden, wenn der Verordnungsprozess über ein eRezept nicht praxistauglich abgebildet werden kann.

Offensichtlich ging man bei der Einführung des eRezeptes davon aus, dass die Verordnung und Abgabe verschreibungspflichtiger Arzneimittel klaren Regelungen unterliegen. Momentan sind aber in den Praxen teils chaotische Zustände ausgebrochen, weil zahlreiche verschreibungspflichtige Arzneimittel nicht verfügbar sind? Erschwert das eRezept die Situation?

Lieferengpässe gab es vor Einführung des eRezeptes auch schon. Nur der bisherige Prozess, dass ein Papierrezept aus der Apotheke in die Arztpraxis zurückgebracht, nachträglich korrigiert und der Apotheke wieder ausgehändigt wird, kann mit dem eRezept nicht mehr umgesetzt werden. eRezepte können nicht nachträglich korrigiert, sondern nur gelöscht werden.

Ich gehe aktuell davon aus, dass sich ein eRezept nur in der Bearbeitung einer Apotheke befindet, wenn es entweder sofort oder in einer der Verschreibung angemessenen Zeit beliefert wird. Bei Lieferschwierigkeiten sollte die Apotheke das eRezept an den Server „zurückgeben“, um dem Arzt die Möglichkeit zu geben, ein lieferfähiges Produkt auszuwählen. Wenn das Arzneimittel gar nicht aufzutreiben ist, muss der Verordner das eRezept löschen. Damit hat man die Sicherheit, dass keine Verordnungskosten entstanden sind und es kann ein anderes Präparat verordnet werden.

Wenn von der Apotheke nur eine Teilmenge eines Medikaments von einer Verordnung beliefert werden kann, sollte der Patient eine Abgabebestätigung durch die Apotheke erhalten. Dort sollten der Name und das Geburtsdatum des Patienten, das Verordnungsdatum, das Arzneimittel, die verordnete und die abgegebene Menge, das Abgabedatum sowie Angaben zur Lieferapotheke mit Stempel und Telefonnummer vermerkt sein. Der Arzt kann dann für den restlichen Teil ein neues eRezept ausstellen.

Nun gibt es auch recht preisintensive Präparate wie die GLP-1-Analoga. Viele Praxen befürchten Regresse, wenn ein eRezept in der Apotheke nicht oder nur zum Teil beliefert werden konnte und von der Arztpraxis ein neues eRezept ausgestellt werden soll. Früher hatte man „etwas in der Hand“, wenn der Patient zurück in die Praxis geschickt wurde. Was raten Sie Ihren Kolleginnen und Kollegen?

Bei GLP-1-Analoga wie Ozempic® (Semaglutid), Trulicity® (Dulaglutid) oder Victoza® (Liraglutid) würde ich grundsätzlich ein rosa Papierrezept ausstellen, da aktuell die wenigsten Verordnungen zeitnah vollständig beliefert werden können. Zusätzlich sind die Präparate aus anderen Gründen sehr begehrt, es besteht also ein gewisses Missbrauchsrisiko. Hier würde ich nur ein neues Rezept ausstellen, wenn ich eine Kopie vom Papierrezept mit der eingedruckten Teilbelieferung erhalte.

Was mache ich denn, wenn eine Apotheke aus formalen Gründen um die Neuausstellung eines eRezeptes bittet, weil beispielsweise eine Klinikpackung oder ein Präparat verordnet wurde, das sich so nicht mehr in der Apothekensoftware finden lässt und das eRezept damit aus Sicht der Apotheke nicht abrechnungsfähig ist? Muss ich ein neues eRezept ausstellen?

Im Normalfall sollte das PVS eine Warnung geben, wenn man versehentlich eine Klinikpackung auswählt oder ein Arzneimittel, welches nicht mehr im Handel ist. Dazu sollte immer aus einer aktuellen Datenbank und nicht aus der Hausapothekenliste heraus oder über ein Freitextfeld verordnet werden. Grundsätzlich sollte eine Neuausstellung nur erfolgen, wenn das ursprünglich verordnete Rezept durch den Arzt gelöscht werden konnte.

Vielen Dank für das Interview!