Was ist in unserem Gesundheitssystem sicher und garantiert?

Liebe Kolleginnen und Kollegen,

die geopolitische Lage ist angespannt, Kriege finden vor unserer Haustür statt, als gewiss Geglaubtes zerrinnt, gravierende Umbrüche zeichnen sich ab – und auch die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen in Europa, insbesondere in Deutschland, sind gelinde gesagt schwierig. Verunsicherung greift um sich.

Was ist in unserem Gesundheitssystem sicher und garantiert?

Jeder Versicherte, jeder Patient, hat direkten Zugang zu ambulanter und stationärer Behandlung, und dies unabhängig von Versichertenstatus, Finanzkraft, sozialer Stellung etc. Und jeder hat direkten Zugang zum Arzt oder zum Psychotherapeuten. Bei all den Problemen, die wir in und mit unserem Gesundheitssystem haben – um diese tragenden Säulen der Versorgung werden wir international beneidet. Diese Grundfesten – betrachtet man noch den hohen Behandlungsstandard – sind wohl weltweit einzigartig. Und diese Grundfesten gilt es zu bewahren. Genau um diese Säulen der Versorgung zu erhalten, brauchen wir dringend Reformen. Insoweit sind sich alle einig.

Doch was geschieht von Seiten des Gesundheitsministers?

Ankündigungen, immer wieder, Versprechungen, Verschiebungen, stattdessen halbgare Arbeitsentwürfe, fehlende belastbare Referentenentwürfe zu dringend notwendigen Regelungen! Die Zeit wird langsam knapp, wenigstens das Wichtigste in dieser Legislatur geordnet zu beraten, sinnvoll zu fassen und zu beschließen. Die überfällige Reform der Notfallversorgung kann eigentlich erst dann sinnvoll gestaltet werden, wenn nicht nur Eckpunkte einer Krankenhausreform sichtbar, sondern Regelungen beschlossen sind, deren konkrete Wirkungen dann zumindest mit hoher Wahrscheinlichkeit qualitativ und quantitativ antizipiert werden können. Bisher ist nicht zu erkennen, dass es der angekündigte große Wurf wird, es wird wohl teuer für die GKV werden, und die Versicherten werden es also zum großen Teil bezahlen müssen.

Ob allerdings der gewünschte strukturelle Effekt so eintritt wie angekündigt, das ist zumindest für mich fraglich. Der Minister kündigt immer wieder die (teilweise) Entbudgetierung der hausärztlichen Leistungen an, nur geschieht konkret wenig. Statt diese Regelung mit einem Artikelgesetz zu verabschieden, was technisch problemlos möglich wäre, soll nun wieder alles mit anderen Regelungen verknüpft werden. Vergleichbar agiert der Minister auch bei der Behandlung der fachärztlichen Themen. Viel Ankündigungen, wenig Belastbares.

Natürlich ist das politische Geschäft für jeden schwierig, gleich wer da auf dem Ministersessel sitzt, geht es doch um Interessen, Geld, Ideologie, Macht und wie immer auch um Klein-Klein. Aber, Politik – und hier der Gesundheitsminister – muss Perspektiven aufzeigen, Verlässlichkeit ausstrahlen und damit Voraussetzungen für Planung und Gewissheiten geben. Und das wäre im Gesundheitssystem durchaus machbar, prinzipiell auch für unseren Gesundheitsminister. Zumindest muss er diese Forderung gegen sich gelten lassen.

Denkbar ist aber auch, dass ganz bewusst bestimmte Perspektiven eben nicht oder sehr spät gegeben werden, um so durch die Hintertür einen Systemwechsel zur Staatsmedizin hinzubekommen. Es bleibt Ihnen überlassen, sich Ihre Meinung zu bilden. Kombinationen sind denkbar.

Geht es um nicht können oder um nicht wollen?

Wir sind aus vielen Gründen in unserer Gesellschaft in einer Situation, wo Vertrauen in das Handeln politischer Akteure schwindet, aus welchen berechtigten oder unberechtigten auch immer. Aber auch in schwierigen Zeiten kann und muss Politik Sicherheit vermitteln, siehe das Agieren von Frau Merkel und Herrn Steinbrück in der Finanzkrise 2008.

Herr Minister Lauterbach, unabhängig von ideologischen Intentionen, schwebt für jeden erlebbar in Sphären von Digitalisierung, eAkte, Gesundheitskiosken und Cannabislegalisierung etc. Zugegeben, all das sind Themen aus dem Koalitionsvertrag, und er muss sie bearbeiten. Dabei vernachlässigt er, oder er tut es gar bewusst nicht, für Stabilität und Perspektiven dort zu sorgen, wo es dringend nötig ist: in den Mühen der Ebene, dort, wo die Grenzen der Belastbarkeit erreicht sind, in der ambulanten Versorgung.

Gleich, was den Herrn Minister so antreibt, zumindest ist in seinem Handeln nicht zu erkennen, dass er der Bedeutung der ambulanten ärztlichen und psychotherapeutischen Versorgung Rechnung trägt, im engeren Sinne und auch nicht, was den gesamtgesellschaftlich stabilisierenden Effekt dieser Versorgungsebene betrifft.

Taten statt Ankündigungen, Verlässlichkeit und hoffnungsgebende Perspektiven statt Versprechungen – das wird man bei Google unter „Lauterbach“ nicht finden.

Ihr Stefan Windau