Die überraschende Nachricht der Interessentin Dr. Kerstin Smith erreichte sie aus dem Ausland per Luftpost. Die KV Sachsen hat die beiden in der Landarztpraxis besucht und mit ihnen über die erfolgreiche Nachfolge gesprochen.
Zum 950-jährigen Jubiläum des Dorfes Leuben im September 2019 erregte die Gestaltung vor der örtlichen Hausarztpraxis das Aufsehen vieler Besucher. Mit zwei lebensgroßen Puppen, als Ärztin und Patient verkleidet, machte die Landärztin Uta Haufe auf ihre bis zu diesem Zeitpunkt vergebliche Suche nach einem Nachfolger aufmerksam. Daraufhin bot auch der Bürgermeister seine Mithilfe an, die jedoch gar nicht in Anspruch genommen werden musste, denn schon wenige Stunden später sorgte überraschende Post für Jubel.
Zu diesem Zeitpunkt suchte Uta Haufe bereits seit eineinhalb Jahren nach einem Nachfolger für ihre Landarztpraxis. Trotz eigener Bemühungen und der Unterstützung der KV Sachsen hatte sich noch niemand gefunden. So wurde die Anzeige zur Nachfolgersuche in der Praxis- und Stellenbörse sowie in den KVS-Mitteilungen geschalten. Darüber hinaus vermittelte die KV Sachsen Uta Haufe an die ZDF-Dokumentation „37 Grad: Notfall Hausarzt. Praxensterben in Deutschland“, in der sie ein Stück auf ihrer Suche begleitet wurde. Von dieser medialen Verbreitung erhofften sich alle Beteiligten, mehr potenzielle Interessenten auf die Praxis in Leuben aufmerksam zu machen. Tatsächlich war die Dokumentation für eine Ärztin ausschlaggebend, sich für den Weg in die Selbständigkeit als niedergelassene Hausärztin auf dem Land zu entscheiden.
So fiel Uta Haufe am Abend des Jubiläumsfestes unter ihrer Post ein Brief ganz besonders ins Auge – Luftpost aus England! Noch am gleichen Abend rief sie die Absenderin Dr. Kerstin Smith an, die sich als potenzielle Nachfolgerin für die Landarztpraxis interessierte.
Etwa zwei Monate nach der Praxisübernahme im Juli 2020 sitzen zwei Mitarbeiterinnen der KV Sachsen den beiden in den sanierten Räumen des 1594 von Hans von Schleinitz gestifteten und 1849 durch Ludwig von Zehmen neuerrichteten Hospitalgebäudes gegenüber und sprechen mit ihnen über die erfolgreiche Nachfolge.
Dipl.-Med. Uta Haufe
geboren in Altenburg
Medizinstudium in Leipzig
Facharztweiterbildung Allgemeinmedizin in Altenburg
Abschluss des letzten Facharztjahres in Leuben
mit darauf folgender Übernahme der Praxispraktizierte von Oktober 1985 bis zum 30. Juni 2020
Dr. med. Kerstin Smith
geboren in Sebnitz
Medizinstudium in Dresden
Facharztweiterbildung Innere Medizin in Wermsdorf
Ärztin im Rehabilitationszentrum Hetzdorf
Facharztweiterbildung Allgemeinmedizin in England
Allgemeinmedizinerin in England
seit Juli 2020 Hausärztin in Leuben
praktiziert seit 2003
Frau Haufe, Sie haben etwa 35 Jahre als niedergelassene Hausärztin in Ihrer Landarztpraxis gearbeitet – wie hat es sich angefühlt, die Praxis und die Patienten abzugeben?
Uta Haufe (strahlt): Es ist ein sehr schönes Gefühl, eine so gute Nachfolgerin gefunden zu haben! Ohne dieses Wissen hätte ich nicht sorglos in den Ruhestand gehen können. Da ich mich für die ärztliche Versorgung meiner Patienten, die mir über die Jahre sehr ans Herz gewachsen sind, verantwortlich fühlte, wollte ich das Richtige tun. Die Verabschiedung von ihnen allen ging über mehrere Wochen und war sehr emotional – ich kenne teilweise ganze Familien und habe mehrere Generationen behandelt. Sie weiterhin gut und ortsnah ärztlich versorgt zu wissen, stimmt mich hoffnungsvoll und ist erleichternd – ein großer Druck ist von mir abgefallen. Für diese Entwicklung bin ich sehr dankbar! Auch von den Patienten bekomme ich diese Rückmeldung.
Wie nehmen Sie die Versorgungssituation in der Region wahr?
Uta Haufe: Die nächstgelegene Praxis in Lommatzsch ist gut ausgelastet und auch ich selbst hatte bereits Patienten aus geschlossenen Hausarztpraxen ohne Nachfolger übernommen. Zu den nächsten in Krögis, Nossen oder Meißen ist der Weg noch weiter. Gerade für die älteren Patienten, die auf Hausbesuche angewiesen sind, ist es wichtig, einen Hausarzt in der näheren Umgebung zu haben. Ohne einen Nachfolger wäre eine Betreuung wie bisher nicht mehr möglich gewesen.
Frau Dr. Smith, Sie haben viele Jahre in England praktiziert. Was hat Sie dazu motiviert, hierher nach Leuben zu kommen und die Hausarztpraxis von Frau Haufe zu übernehmen?
Dr. Kerstin Smith: Ich hatte mich seit circa zwei Jahren mit dem Gedanken getragen, nach Deutschland zurückzukehren. Da ich in Lommatzsch aufgewachsen bin, wollte ich zu meinen Wurzeln zurückkehren und habe mich in dieser Region nach einem Beschäftigungsverhältnis umgesehen.
Wie sind Sie auf die Praxis aufmerksam geworden?
Dr. Kerstin Smith: Ich hatte über meine Eltern schon davon gehört, dass für die Leubener Praxis eine Nachfolgerin gesucht wird. Eigentlich hatte ich zu diesem Zeitpunkt überlegt, mich in einem Medizinischen Versorgungszentrum anstellen zu lassen. Mein Cousin schickte mir schließlich den Link zur ZDF-Dokumentation, in der über Uta Haufes Suche berichtet wurde. Ihr Einsatz und ihr besonderes Verhältnis zu ihren Patienten haben mich berührt. Da war mir klar: Das ist es. In Leuben werde ich gebraucht und kann meine Ideale verwirklichen.
Sie haben Ihre Ausbildung zur Allgemeinärztin in England absolviert – wie haben Sie diese Zeit empfunden und gibt es Unterschiede zur Ausbildung in Deutschland?
Dr. Kerstin Smith: Die Ausbildung ist sehr abwechslungsreich. Darüber hinaus arbeitet man im allgemeinmedizinischen Bereich in England ganz anders als in Deutschland. Da es dort keine niedergelassenen Fach- oder Kinderärzte gibt, werden die Patienten von mehreren Allgemeinärzten in einer Großpraxis, ähnlich einem Medizinischen Versorgungszentrum, betreut. Dadurch haben die Patienten jedoch wechselnde Ansprechpartner. Der Allgemeinarzt betreut dort alle Altersgruppen, vom Säugling bis zum Senior. Er ist auch immer der erste Ansprechpartner und nimmt jegliche Untersuchungen vor, beispielsweise auch gynäkologische oder urologische. Für den Landarztberuf konnte ich aus dieser Zeit viele brauchbare Erfahrungen mitnehmen.
Was sind Ihre Erfahrungen aus England: Inwiefern unterscheiden sich das Gesundheitssystem und der Berufsalltag des Allgemeinmediziners im Verhältnis zu Deutschland?
Dr. Kerstin Smith: In der Großpraxis, in der ich in Bournemouth mit zehn Ärzten gearbeitet habe, war ein Praxismanager für die Bürokratie verantwortlich, sodass sich der Arzt komplett auf das Medizinische konzentrieren konnte. Das war für mich zwar ein Vorteil, allerdings habe ich für 10.000 Patienten gearbeitet – das hat sich zeitweise angefühlt wie Fließbandarbeit. Dadurch gab es keine Kontinuität und die Arzt-Patienten-Beziehung ging verloren – ein Grund für mich, nicht mehr in England praktizieren zu wollen.
Was macht Ihnen an Ihrer Arbeit als niedergelassene Hausärztin in Leuben besonders Freude?
Dr. Kerstin Smith: Hier auf dem Land ist die individuelle Arzt-Patienten-Beziehung noch stark ausgeprägt und wird gut gepflegt, was mir bei meiner Arbeit sehr wichtig ist. Ich erlebe nun den persönlicheren Kontakt zu den Patienten, die mich auch alle sehr freundlich aufgenommen haben.
Sie haben die Praxis zum 1. Juli übernommen – wie nehmen Sie Ihren Berufsalltag bisher wahr, gibt es bereits besondere Herausforderungen oder besonders schöne Erlebnisse?
Dr. Kerstin Smith: Bisher ist mein Berufsalltag genauso wie erhofft und wie ich ihn mir vorgestellt habe. Schon nach wenigen Wochen hatte ich mich sehr gut eingelebt und war selbst ein wenig überrascht, wie unkompliziert sich vieles gefügt hat. Da es in England nicht zu meinem Berufsalltag gehörte, musste ich mich in einige bürokratische Angelegenheiten, wie beispielsweise spezifische Rezeptverschreibungen, anfangs erst einarbeiten. Mit der Hilfe meines erfahrenen Teams ist das aber schnell gelungen.
Da der Landkreis Meißen als von Unterversorgung bedrohtes Gebiet im hausärztlichen Bereich eingestuft worden ist, hatte ich Anspruch auf eine Förderung. Diese hat die Realisierung notwendiger Investitionen immens erleichtert. Auch dank des Einsatzes der Baufirmen aus der Umgebung und der großen Hilfe des Dorfklubs Leuben konnte der Umbau zügig vollzogen werden. Ich freue mich jetzt auf weitere Begegnungen und Erfahrungen!
Öffentlichkeitsarbeit/led
veröffentlicht am 20. November 2020